Größer könnte der Kontrast kaum sein: 2019, als das Theatertreffen zum letzten Mal vor der Corona-Zwangspause ganz analog im ausverkauften Festspielhaus stattfinden konnte, marschierten, brüllten und schwitzten die Akteure in Ulrich Rasches Dresdner „Das große Heft“-Inszenierung zum Festival-Abschluss am Pfingstmontag.
Zwei Jahre später klingt das Festival ebenfalls am Pfingstmontag mit einer stillen Achtsamkeitsübung aus: der intime Pas de deux „Scores that shaped our friendship“, den Lucy Wilke und Pawel Duduś performen, ist neben „Name her“ die zweite Überraschung aus der Off-Szene. Den kleinen Abend, der für das Theatertreffen fast etwas zu klein ist, hatte vor der Jury-Verkündung sicher kaum jemand auf der Rechnung, obwohl das Duo im November 2020 bereits den FAUST-Preis gewonnen hat.
Der kurze, einstündige Abend muss etwas Anlauf nehmen: recht gemächlich plätschert die erste Hälfte dahin. Wilke und Duduś räkeln sich in ihrer Wohlfühloase aus Plüsch und Flokati, tasten sich aneinander heran, berühren sich zärtlich, während im Hintergrund Kim Ramona Ranalter die passende Easy Listening-Entspannungsmusik zur Untermalung bietet.
Spannender wird die zweite Hälfte: Lucy Wilke, die wegen spinaler Muskelatropie auf den Rollstuhl angewiesen ist, erzählt, wie sie bei den Flirts auf Tinder gegen Wände läuft: „You have a pretty face, but…“ wiederholt sie einen Satz im Loop, der ihr immer wieder entgegenschlägt. Wie lustvoll ihr Leben sein kann, beweist der wunderbar laszive Tanz, den Pawel Duduś für sie im Schmetterlings-Body aufs Parkett zaubert.
Mit diesem Abschluss-Abend öffnet sich das Theatertreffen nicht nur für die Freie Szene, sondern auch für den Tanz. Die Frage ist: Ist dies nur eine Momentaufnahme und Modeerscheinung? Oder verändert sich das Theatertreffen dauerhaft?
Festzuhalten bleibt: Auch die sehr gute Bildregie von „Scores that shaped our friendship“ sorgt dafür, dass dieser Schlusspunkt eines sehr durchwachsenen Festivals versöhnlich ist.
Bild: Martina Marini-Misterioso