Was für ein einmaliges Erlebnis es doch sei, eine Hollywood-Legende wie Anthony Hopkins live auf der Bühne des National Theatre London zu erleben! Diese Aura, diese Kopräsenz! Mit den Textbausteinen aus der Phrasendreschmaschine der Theaterblase versucht Rory (Jude Law), seine Geprächspartner zu beeindrucken. Seine Gattin Allison (Carrie Coon), die bis dahin ihre Rolle als höfliches, dekoratives, blondes Anhängsel so brav ausfüllte, bricht in höhnisches Gelächter aus: ihr Mann gehe doch gar nicht ins Theater.
Der Banker Rory ist der Prototyp eines Aufschneiders und Blenders, wie ihn Thomas Mann protoptypisch im „Felix Krull“ porträtierte. In der neoliberalen Ära der 80er Jahre, als die Gier an den Finanzmärkten durch die Deregulierungs-Programme von Reagan und Thatcher wuchs, waren Figuren wie Rory plötzlich angesagt.
Sean Durkin (Drehbuch und Regie) schildert, wie Rory große Sprüche klopft, mit seiner Familie von New York auf einen südenglischen Landsitz zieht, und ständig ankündigt, dass der große Deal mit dem dringend erwarteten Geldsegen unmittelbar bevorsteht. Die zwei Stunden sind vor allem die Charakterstudie eines Bankers und der überfälligen Emanzipation seiner Frau.
Ganz kann dieser Film, der bereits im Januar 2020 in Sundance Premiere hatte, nicht überzeugen: vieles bleibt Skizze, zu unvermittelt endet das Porträt. Viele Kritiken bemängelten, dass Durkin in seinem zweiten Kinofilm nach „Martha Marcy May Marlene“ (2011) auch einiges an Potenzial verschenke: beim Einzug in das viel zu große Herrenhaus, in dem Rory mit seiner Familie residieren möchte, deutet Durkin immer wieder Grusel- und Horrormotive an, manche fühlten sich an den Klassiker „Shining“ erinnert, diese Fäden lässt er aber einfach fallen und bleibt konsequent, aber etwas eindimensional bei seinem Charakterporträt.
„The Nest“ startete am 8. Juli 2021 mit dem Untertitel „Alles zu haben ist nicht genug“ in den Kinos.
Bilder: © Ascot Elite Entertainment