Das Sprach-Oratorium, das der preisgekrönte österreichische Autor Thomas Köck für das Kunstfest Weimar geschrieben hat, ist eine wortgewaltige Anklage gegen die kapitalistische, über Leichen gehende Wirtschaftsordnung. Mantra-artig hämmern uns die vier Sprecher*innen dieses Wort immer wieder ein: „Wirtschaftsordnung“.
Die ersten Opfer des Anthropozäns und industriellen Turbokapitalismus sind Tierarten wie der Tasmanische Beutelwolf, die ausgestorben sind. Andere Tierarten, die das Abholzen der Regenwälder und das Vordringen der Bagger in unberührte Biosphären bedroht, werden wir wohl nie kennenlernen, spekuliert Autor Köck. Und so macht er sich einen Spaß daraus, auch zahlreiche Fantasienamen zu erfinden, die er in die düstere Anklage einstimmen lässt. Der Abend lädt dazu ein, nach zu googeln, welche Tierarten real und welche nur erfunden waren.
Eine weitere Eigenart des Textes ist Köcks Spiel mit Grammatik-Konstruktionen á la „Weil wir nie werden existiert haben. Weil wir nicht gewesen sein werden“, die sich konsequent durch den 50minütigen Text ziehen. Astrid Meyerfeldt (Pollesch-Veteranin und zuletzt für ihre Rolle in der Kölner Inszenierung „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ mit dem FAUST ausgezeichnet), Sarah Sophia Mayer und Nico Link (beide Schauspielhaus Graz) und Janus Torp (Deutsches Nationaltheater Weimar) lesen den Text im Wechsel.
Sie stehen live vor Publikum an Notenpulten in der Redoute des Nationaltheaters Weimar, wohin die ersten beiden Vorstellungen der Produktion wegen des regnerischen Herbstwetters im August von der Open Air-Bühne umziehen musste. Das Publikum konnte aber heute Abend auch live via Deutschlandfunk Kultur dabei sein, das die Inszenierung von Marie Bues (Regie) und Anouschka Trocker ((Hörspielregie) koproduziert hat.
„Und alle Tiere rufen: dieser Titel rettet die Welt auch nicht mehr“ ist ein kleiner Zwischenruf in die hitzigen Debatten um „Extinction Rebellion“, die Mahnungen des Weltklimarats und das Weiter-So der GroKo, gegen das im Frühjahr selbst das Bundesverfassungsgericht Einspruch erhob. Der Text passt gut in das Profil des Weimarer Festivals, das in diesem Jahr sehr politisch ist und mit einem 17-tägigen Mammut-Reenactment des NSU-Prozesses begann.
Bilder: Candy Welz