Michael Kohlhaas

Als Prototyp von zwei hochaktuellen, vieldiskutierten Phänomenen schildert Andreas Kriegenburg Kleists „Michael Kohlhaas“: im verdreckten Unterhemd und wutschnaubend pflügt Max Simonischek als Inbegriff toxischer Männlichkeit und als Reichsbürger, der die staatliche Autorität ablehnt und nur seine eigene Moral- und Rechtsauffassung gelten lässt, durch einen zweieinhalb Stunden langen Abend.

Mit kraftvollen Choreographien lässt Kriegenburg sein Ensemble über Harald Thors düstere Bühne toben. Aufgelockert durch kleine Comedy-Elemente, zum Beispiel den Running-gag im zweiten Tableau, dass sich Niklas Wetzel vergeblich bemüht, auch eine Rolle übernehmen zu dürfen, entfalten sich sieben energiegeladene Szenen. Darunter sind einige Kabinettstückchen wie die Schlüsselszene am Schlagbaum, an dem Kohlhaas nach dem Passierschein gefragt und seiner Pferde beraubt wird, so dass die Kettenreaktion in Gang kommt.

Kriegenburg erzählt dies jedoch nicht chronologisch, er steigt mitten in die Handlung ein und beginnt mit dem Versuch von Kohlhaas (Max Simonischek) Martin Luther (Markwart Müller-Elmau) auf seine Seite zu ziehen. In eliptischen Szenen und z.T. in Rückblenden schildert er die Dynamik von Kleists Novelle. Einen deutlichen Akzent setzt er mit der Aufwertung der Frauenrollen: Lorena Handschin und Brigitte Urhausen halten den „toxischen Taugenichtsen“ (Ulrich Seidlers Überschrift in der Berliner Zeitung) den Spiegel vor. Sie kommentieren die Handlung als Erzählerinnen, greifen in einer Verhör-Szene in die Handlung ein, zu der sie die Streithähne und ihre Gefolgsleute vorladen, und rechnen schließlich vor der Hinrichtung mit dem Titelhelden ab.

Manches an dieser Inszenierung ist sehr plakativ, aber in ihrer brodelnden Energie ist sie ein interessantes Gegenstück zum statischen „Michael Kohlhaas“-Sprechkonzert, das Simon McBurney kurz zuvor an der Schaubühne herausbrachte.

Bilder: Arno Declair

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