Irgendwann werden wir uns alles sagen

Gleich fünf deutsche Filme hat Carlo Chatrian in den Berlinale-Wettbewerb eingeladen, eine ähnliche Quote hätte man seinem Vorgänger Dieter Kosslick um die Ohren gehauen. Den Auftakt machte heute Emily Atef, die mit ihrem Romy Schneider-Biopic-Kammerspiel „Drei Tage in Quiberon“ schon 2018 im Wettbewerb zu Gast war und zuletzt mit dem einfühlsamen „Mehr denn je“ in der Sektion Un certain regard in Cannes reüissierte.

Für ihren neuen Film nahm sie sich das mehr als ein Jahrzehnt alte Roman-Debüt „Irgendwann werden wir uns alles sagen“ (2011) von Daniela Krien. Sie erzählt von der Amour Fou einer jungen Frau im Sommer 1990, die ihren gleichaltrigen Freud mit einem doppelt so alten Außenseiter vom Nachbarhof betrügt.

Marlene Burow, die im vergangenen Jahr schon als Hauptfigur in Aelrun Goettes autobiographischem „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ über die Underground-Mode-Szene im Prenzlauer Berg der späten 1980er Jahre mitspielte, verkörpert Maria, die lieber Dostojewski liest als in die Schule zu gehen und von den Eltern ihres Freundes Johannes (Cedric Eich) als Schwiegertochter in spe bereits in die Familie integriert ist.

Auf dem Bauernhof wirkt sie wie ein Fremdkörper und auch die Beziehung zu ihrem Partner, der sich ganz auf die Aufnahmeprüfung an der Leipziger Kunsthochschule konzentriert, kühlt ab. Sie entflammt für Henner (Felix Kramer), der den Nachbarhof bewohnt und von allen in der Gegend nur schief angesehen wird. Der wortlose, rohe, aber leidenschaftliche Sex zieht Maria in ihren Bann, die sichtbaren Spuren versucht sie zu verdecken.

Interessanter als diese tragisch endende Amour fou auf dem platten ostdeutschen Land ist die Hintergrundgeschichte, die Atef miterzählt. Nicht nur Maria sucht Halt, sondern alle um sie herum. Unsicher ist die Lage in dem kurzen Sommer zwischen Mauerfall-Euphorie und Einheits-Feiern. Die gewohnten Routinen des DDR-Alltags sind dahin, das Pionierlied, das sie beim Mittagessen vorsingt, wird von Gisela, der Frau des verlorenen, in den Westen geflohenen und nun erstmals zurückgekehrten Sohns Hartmut, als Kuriosität aus einem untergehenden Land bestaunt. Traurigkeit liegt über der Szenerie, da nach der Währungsunion viele Betriebe dichtmachten und die Mitarbeiter arbeitslos wurden.

Atef erzählt „Irgendwann werden wir uns alles sagen“ mit Sinn für Details, sehr präzise, aber auch in der Ästhetik einer TV-Produktion. Aus diesem Umfeld kennt man auch die meisten Darsteller*innen. In den Nebenrollen ergänzen bekannte Namen des DDR- und Nachwende-Theaters wie Christine Schorn (Deutsches Theater Berlin) und Axel Werner (Berliner Ensemble) den Cast.

Bild: © Pandora Film / Row Pictures

 

 

 

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