La bête dans la jungle

Die Kurzgeschichte „The Beast in the jungle“ (1903) von Henry James verlegte Patrik Ciha in einen Pariser Club ein Jahrhundert später. Mary (Anaïs Demoustier) trifft auf John (Tom Mercier, der Hautdarsteller des Goldene Bären-Gewinners „Synonymes„, 2019), der jedes Wochenende verloren an der Tanzfläche steht. Er warte auf ein einschneidendes, sein Leben für immer veränderndes Ereignis, vertraut er ihn.

Fasziniert von diesem Außenseiter kehrt auch Mary immer wieder an diesen Ort zurück und wartet mit John gemeinsam. Die Jahre gehen ins Land. Auf den Disco-Pop des Eröfnungsjahres 1979 folgt New Wave der 1980er, der Techno-Hedonismus der 1990er bis zum Sound der frühen 2000er Jahre. Während sich eine Generation feierwütiger junger Erwachsener nach der anderen ins Nachtleben stürzt, die AIDS-Krise eine Schneise des Todes schlägt und politische Ereignisse wie der Wahlsieg von Frsancois Mitterand im Mai 1981 oder die Terroranschläge von 9/11 die Welt um sie herum in Aufregung versetzen, warten John und Mary stoisch weiter.

Dass der Wiener Regisseur Patrik Ciha ein Händchen für Tanzszenen hat, zeigte er schon mit „Si c’était de l’amour (If It Were Love)“, einer Doku über ein Volksbühnen-Gastspiel von Giselle Vienne, die 2020 ins Panorama der Berlinale eingeladen war und einen Teddy gewann. Die Partyszenen bleiben diesmal jedoch Hintergrundrauschen für die Gespräche der beiden Wartenden, die sich in ihren eigenen Kosmos eingesponnen haben. In ihrer Fixierung auf das große Ereignis in der Zukunft verpassen sie das Leben in der Gegenwart und auch die Chance auf eine Liebe, wie John am Grab von Mary bewusst wird.

Als Erzählerin dieser freien Literatur-Verfilmung tritt Beatrice Dalle auf, die mit ihren markant-geheimnisvollen Gesichtszügen als Türsteherin vor dem Club-Paralleluniversum wacht. „La bête de la jungle“ ist eine traumverlorene, prominent besetzte Parabel über das verpasste Leben und einer der stärkeren Spielfilme im Panorama der Berlinale 2023.

Bild: Elsa Okazaki

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