Sisi & Ich

Erstaunlich, wie viele Theaterstücke, Filme und Serien sich in letzter Zeit auf den Mythos von Kaiserin Elisabeth alias Sisi (österreichische Schreibweise) oder Sissi (Schreibweise, die sich durch die Romy Schneider-Filme eingebürgert hat). Es bleibt ein Rätsel, was Regisseur*innen wie Rainald Grebe, Marie Kreutzer oder Frauke Finsterwalder so sehr an dieser unglücklichen Frau interessiert.

Letztere schrieb gemeinsam mit Christian Kracht das Drehbuch zu einer Komödie, die ins Panorama der Berlinale eingeladen wurde. Satirisch bürsten sie das Sisi-Bild gegen den Strich: sie erzählen von Sisi aus der Perspektive der ungarischen Gräfin Irma Sztáray von Sztára und Nagy-Mihály, der Hofdame und eine der letzten Vertrauten der Kaiserin, die sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit und dem Korsett des Wiener Hofburg-Protokolls zurückgezogen hat. Diese historisch verbürgte Figur wird von Sandra Hüller gespielt, einer der aktuell gefragtesten Theaterschauspielerinnen, die regelmäßig Ausflüge zum Film unternimmt.

In der ersten Hälfte des Films erleben wir, wie die schüchterne junge Frau in ein queerfeministisches Bootcamp gerät: Sisi (Susanne Wolff, das zweite Schauspiel-Schwergewicht dieser Produktion) hat sich mit ihrer Zofe (Sophie Hutter) und einem Aufpasser, der von ihrem Gatten Franz Josef abkommendiert wurde, auf die Insel Korfu zurückgezogen. Sie führt dort ein strenges Regiment, flirtet mit den Frauen, demütigt den ungebeten männlichen Mitbewohner und treibt ihre Entourage unermüdlich mit einem Programm aus Diät und häufiger Bewegung an. Dass die Kaiserin ihren Hofdamen einiges an körperlicher Fitness abverlangte, haben tatsächlich einige Quellen kolportiert. Nur Sisis schwuler Schwager Ludwig Viktor (Georg Friedrich) ist in diesem Matriarchat willkommen. Das Intro ist schön erzählt, hat einige hübsche Einfälle und lebt vor allem von der schauspielerischen Klasse der Hauptdarstellerinnen.

Eine unglückliche Entscheidung des Duos Finsterwalder/Kracht, dass sie in der zweiten Hälfte in den Mainstream der wesentlich konventionelleren Sisi-Rezeption. Wieder einmal erleben wir, wie die Kaiserin, nachdem sie aus dem Paradies Korfu nach Wien zurückbeordert wird, unter den Zwängen ihrer Rolle leidet und ächzt. Wenig Neues hat diese zweite Hälfte der Unmenge an Sisi-Adaptionen hinzuzufügen. Über die lesbischen Konnotationen dieser engen Verbindung von Kaiserin und Hofdame spekulierte zuletzt schon Marie Kreutzer in „Corsage“, in „Sisi & ich“ wird diese Spekulation noch etwas deutlicher herausgearbeitet.

Mit dem Attentat des italienischen Anarchisten Luigi Lucheni auf der Genfer Promenade im September 1898 endet auch dieser Film, der vielversprechend begann, aber nach deutlich mehr als zwei Stunden, in denen einige langatmige Täler durchzustehen sind, überraschend konventionell endet.

Beeindruckend ist, wie stark der Film bis in die Nebenrollen besetzt ist, so verkörpern z.B. mit Sibylle Canonica und Angela Winkler zwei weitere Theater-Legenden die Rollen der Mütter von Sisi und ihrer Hofdame.

Nach der Berlinale-Premiere soll „Sisi & Ich“ am 30. März 2023 in den Kinos starten.

Bild: Bernd Spauke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert