Schlachten

Mit einer Collage aus mehreren Dramen von Heiner Müller schließt Oliver Frljic seine Kriegstrilogie am Gorki Theater ab: Vidina Popov beginnt mit dem Intro aus dem „Philoktet“, im Mittelteil det 75 Minuten kurzen Abends nimmt sie diesen Faden wieder auf und spielt gemeinsam mit Marina Frenk weitere Blankvers-Passagen dieser Antiken-Nachdichtung.

Ansonsten bedienen sich der Regisseur und sein Schauspieler*innen-Quartett (neben den beiden Genannten zählen auch Tim Freudensprung und Mehmet Yilmaz dazu) bei weiteren Müller-Texten wie seinen Lehrstücken „Wolokolamsker Chausee I-IV“ oder der grotesken Szenenfolge „Die Schlacht“. Hitler und Stalin rappen gemeinsam über die Bühne.

Ähnlich museal wie schon der vorherige Teil der Trilogie (Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“) wirkt auch diese recht beliebige Müller-Kompilation, der Erkenntnisgewinn bleibt gering. Geben Sie es ruhig zu, von diesen ganzen Müller-Texten haben Sie langsam genug, provoziert Vidina Popv in einem ihrer typischen Gorki-Soli das Publikum.

Zwischen all den Müller-Extrakten, die unter einem großen Poster des Altmeisters dargeboten werden, gibt es hin und wieder auch kurze Exkurse in die Gegenwart. Dass der aktuelle Krieg in der Ukraine, der seit einem Jahr die öffentliche und oft unterkomplex in all zu einfachen Schwarz-Weiß-Mustern geführte geführte politische Debatte dominiert, schon eine längere Vorgeschichte hat und seit 2014 dauert, ruft uns Vidina Popov ebenso ins Bewusstsein wie die hohen Todeszahlen der Kriege in Syrien oder Äthiopien, die bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit erhielten. Zum John Lennon-Hit „Imagine“ rattern lange Zahlenreihen über die Bühnenwände, die bekanntere und vergessene Kriege in der Geschichte akribisch auflisten. Ein paar Sticheleien gegen die moralische Selbstgewissheit des Westens zwanzig Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von US-Präsident George W. Bush gegen den Irak dürfen natürlich auch nicht fehlen. Erstaunlich fiele Kritiker*innen sprangen über dieses Stöckchen und empörten sich. Ganz zum Schluss werden auch noch die Bilder ausgemergelter, vom Krieg gezeichneter Kleinkinder nach entsprechender Triggerwarnung an die Wand projiziert. Aber wie brutal und grauenhaft Krieg ist, ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis.

Diese kurzen Interventionen werfen kleine Schlaglichter auf das altbekannte Thema, wie einseitig mediale Aufmerksamkeit und Empathie mit Kriegsopfern verteilt sind. Etwas ausführlicher äußert sich dazu auch Nicole Deitelhoff (Direktorin der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) im Interview auf dem Abendzettel.

Von der aufrüttelnden und polemischen Kraft der besten Frljić-Arbeiten bleibt diese Müller-Hommage mit aktuellen Einsprengseln leider ein ganzes Stück entfernt.

Bild: © Ute Langkafel MAIFOTO

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