Herr Puntila und sein Knecht Matti

Sascha Nathan tankt sich seitlich an den Publikumsreihen des Berliner Ensembles vorbei: als Gutsbesitzer Puntila taxiert er die Zuschauer, pflaumt sie an, fragt sie nach bisherigem Jobprofil, Aufstehzeiten und Gehaltsvorstellungen. Frustriert wendet er sich von dem „Gesindemarkt“ ab.

Diese kleine Aktion ist eine der unterhaltsameren Szenen in Christina Tscharyiskis Brecht-Inszenierung „Herr Puntila und sein Knecht Matti“. In ihrer ersten Arbeit auf der großen Bühne (nach Elfriede Jelineks „Schwarzwasser“ und Brechts „Die Mutter“ im Neuen Haus des BE) bemüht sie sich sichtlich, das Stück des Gründungsvaters der Bühne, das acht Jahrzehnte auf dem Buckel hat, möglichst locker-flockig zu präsentieren, aber der Vorlage doch treu zu bleiben.

Die knapp 140 pausenlosen Minuten sind doch etwas lang geraten, da sich das Ensemble und die Regisseurin zwar versuchen, mit Slapstick und Überzeichnung die Komik von Brechts Klassenkampf-Parabel noch stärker zu betonen. Der Funke springt im Premierenpublikum aber nicht so recht über.

Sascha Nathan, der den Kapitalisten spielt, der im betrunkenen Zustand  zum Humanisten wird, sobald er wieder nüchtern ist, aber seine Arbeitskräfte schindet, windet sich am Ende sehr plakativ im Stil eines verzweifelten Riesenbabys am Boden. Damit setzt die Inszenierung auf den Schlussappell des Frauen-Quartetts (Dela Dabulamanzi/Pauline Knof/Nina Bruns/Nora Moltzen) in grellen Warnwesten, dass sich die Ausgebeuteten aus den Fesseln ihrer Fremdherrschaft befreien sollen, noch eins drauf.

Zur Traditionspflege des Ahnherrn im Repertoire  magdiese „Puntila“-Inszenierung geeignet sein. Zwischen Comedy und aktuellen Anspielungen auf Extinction Rebellion-Aktionen und „Klimaklebern“ hat sich die Hoffnung, einen überzeugenden, jungen, frischen Blick auf ein seltener gespieltes Brecht-Stück zu erleben, nicht erfüllt.

Bilder: © JR Berliner Ensemble

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