Ödon von Horváth trifft Thomas Bernhard: so könnte man die Handlung von Maria Lazars Roman „Die Eingeborenen von Maria Blut“ knapp umschreiben. In dem fiktiven österreichischen Provinznest machen sich zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit Faschismus, Antisemitismus und Erlöserphantasien breit.
Überstrahlt wird der Ort durch eine große Marienstatue: die jüdische Emigrantin Lazar beschreibt einen Sumpf aus provinzieller Enge und Tratschlust, den katholische Frömmigkeit und esoterischer Wunderglauben durchziehen. Hinter übergroßen Pappmaché-Köpfen verschwinden die „Eingeborenen von Maria Blut“, wenn sie auf der Straße mal wieder über Bolschewiken, Juden und alle anderen, die nicht in ihr starres Weltbild passen, herziehen.
Der Roman, den Lazar nach ihrer Flucht ins Exil 1935 als gallige Abrechnung mit ihrer Heimat veröffentlichte, ist längst vergessen. Es ist ein Verdienst des Wiener Burgtheaters, dass es Autorinnen wie Maria Lazar oder Anna Gmeyner wieder auf den Spielplan holt. Inhaltlich bietet der Abend jedoch einige Déjà-vu-Erlebnisse: zu vertraut klingt die bittere Zeitdiagnose und Abrechnung mit der in den Faschismus driftenden Gesellschaft der 1920er Jahre.
Auch Lucia Bihlers Inszenierung ist nicht sehr originell: Die Figuren sind Karikaturen in den für diese Spielweise bewährten Kostümen von Victoria Behr, die dafür die Auszeichnung als Kostümbildnerin des Jahres erhielt. Durch kurze Schwarzblenden werden die Szenen abgetrennt, die Pappmaché-Köpfe und die von der Seite eingesprochenen Dialoge sind auch ein bewährtes Theatermittel, das wir z.B. aus Claudia Bauers „humanistää!“ kennen.
„Die Eingeborenen von Maria Blut“ sind eine solide Repertoire-Inszenierung für das Akademietheater, die kleinere Spielstätte des Wiener Burgtheaters, und eine verdienstvolle Wiederentdeckung einer jüdischen Exilantin. Darüber hinaus ist an dieser Arbeit jedoch wenig Bemerkenswertes zu finden, so dass sie sich nicht für eine Einladung in die 10er-Auswahl des Berliner Theatertreffens aufdrängt. Auch die Wiener Premierenkritiken betonten schon die Schablonenhaftigkeit dieser bewusst auf grelle Abziehbilder setzenden Inszenierung. Überraschenderweise entschied sich die Jury dennoch, den Abend einzuladen.
Einige Monate später waren Lucia Bihler in der Kategorie „Beste Regie“ und Victoria Behr in der Kategorie „Beste Ausstattung“ für den österreichischen Theaterpreis Nestroy nominiert, konnten sich aber nicht gegen Tomas Schweigen mit seiner „Faarm Animaal“-Inszenierung vom Schauspielhaus Wien bzw. Nikola Knežević mit Florentina Holzingers „Ophelia´s got talent“ durchsetzen.
Bild: Susanne Hassler-Smith