Alias Anastasius

An eine genderfluide Person aus dem 17. Jahrhundert nähert sich die Werkraum-Inszenierung „Alias Anastasius“ in der Nachwuchsreihe „WORX“ des Berliner Ensembles an: Catharina Margaretha Linck soll in einer Art gelebtem Schelmenroman ihren Namen und ihre Identität mehrfach gewechselt haben: nach ihrer Kindheit im Waisenhaus war sie den Quellen zu Folge als Anastasius Lagrantinus Rosenstengel als Prophet und später als Musketier im spanischen Erbfolgekrieg quer durch Europa unterwegs. Nach ihrer Desertion heiratete sie eine Frau in Halberstadt und wurde schließlich wegen „Sodomiterey“ verhaftet und hingerichtet.

Auf einem Flokati-Teppich im kleinen Bühnenrund wechselt das Duo Max Gindorff/Via Jikeli häufig die Rollen, mal sind sie Catharina/Anastasius, mal die Stützen der männlichen Gesellschaft, die sich von der Protagonistin angegriffen fühlen. Der Text, den das Duo Matter*Verse für diese Auftragsarbeit geschrieben hat, lässt viel Raum für Komik und Spielfreude. Gindorff stottert sich durch die Plädoyers vor Gericht, voller Abscheu und Ekel bekommt seine Figur die Lederdildo-Details der Anklage kaum heraus. Die Facetten toxischer Männlichkeit überzeichnet Via Jikeli, als sie Gindorff mit vorgehaltener Knarre rekrutiert und mit Saufgelage-Initiationsriten in den soldatischen Männerbund aufnimmt, während Gindorff vor Entdeckung der genderfluiden Identität zittert.

„Alias Anastasius“ ist nach „The Writer“ die zweite Regie-Arbeit der Österreicherin Fritzi Wartenberg, die im März im Rahmen des WORX-Nachwuchsprogramms für die kleinste Spielstätte des BE entstand. Max Gindorff ist der Erfahrenste im Team, war nach seinem Studium bereits in den Ensembles von Residenz- und Burgtheater in München und Wien und mit der fulminanten „Göttlichen Komödie“ zum Theatertreffen 2020 eingeladen, das der Pandemie zum Opfer fiel. In der nächsten Spielzeit wird er als Tambourmajor in Ersan Mondtags „Woyzeck“ nebenan auf der großen Bühne zu sehen sein. Kleinere Texthänger hatte noch Via Akeli, die an der Ernst Busch-Hochschule studiert und aktuell auch im Gorki-Studio in „Amore“ zu sehen ist.

Bilder: Moritz Haase

 

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