Am Strand der weiten Welt

Die Jüngsten ragen in diesem fast zwei Jahrzehnte alten, nach der Uraufführung schnell in der Versenkung verschwundenen Familiendrama des Briten Simon Stephens heraus: eine echte Entdeckung ist Jona Gaensslen, der mit wunderschön-traurigen Nick Cave-Songs überzeugt. Er spielt Christopher, den jüngsten Sohn der Holmes-Familie, der bei einem Unfall ums Leben kommt und wie ein Untoter auf der Bühne präsent bleibt, während die Überlebenden immer tiefer in den Strudel ihrer Probleme hinabsinken.

Einen schönen Auftritt haben auch Wassilissa List, die erst im vergangenen Jahr ihr Ernst Busch-Studium abgeschlossen hat, und Niklas Wetzel, eines der vielversprechenden Talente im Ensemble, der aber von der neuen Intendantin Iris Laufenberg nicht übernommen wird. Sie spielen den älteren Holmes-Sohn Alex und seine Freundin Sarah, die sich ängstlich auf die erste Teenager-Liebe einlassen.


Niklas Wetzel/Wassilissa List

Abgesehen von diesen Lichtblicken ist der prominent besetzte Abend eine Enttäuschung: zu krude und holzschnittartig wirkt die Stück-Vorlage. Der ältere Sohn flüchtet nach London, die Eltern (Alexander Khuon und Kathleen Morgeneyer) sind gelähmt von Schmerz, haben sich längst auseinander gelebt, aber auch nicht genug Kraft, sich zu trennen. es bleibt beim halbherzigen Versuch, sich in Affären zu stürzen. Es ist eine der markantesten Schwächen von Daniela Löffners Bearbeitung der Vorlage, dass sich die Mutter von der lesbischen Unfall-Verursacherin (gespielt von Katrin Wichmann) verführt wird. Der Großvater (Peter René Lüdicke) sitzt meist nur qualmend in seiner Ecke, auch Barbara Schnitzler, eine der prägenden Spielerinnen am DT in den vergangenen Jahrzehnten bleibt eine unterforderte Randerscheinung.

Während das Elend auf der sehr plakativen schiefen Ebene, die Wolfgang Menardi so oft und zuletzt auch im Gorki-Hit „Planet B“ als Bühnen baut, seinen Lauf nimmt, zieht übler Gestank ins Publikum. Was wäre das für ein rauschended Theaterfest geworden, wenn auch nur jede dritte völlig unmotivierte Nikotinszene durch einen interessanten Regisseurinnen-Einfall ersetzt worden wäre!

Da dies leider nicht so ist, tat Iris Laufenberg gut daran, „Am Strand der weiten Welt“ im Gegensatz zu vielen anderen Inszenierungen aus der Khuon-Ära nicht zu übernehmen, so dass wenige Monate nach der Premiere gestern schon die Dernière stattfand.

Bilder: Arno Declair

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