Planet B

Der Juni 2023 beendet eine Berliner Spielzeit, die stark begann und dann matt vor sich hindämmerte, mit einigen spektakulären Comebacks: Constanze Becker ist am BE endlich wieder als Galle spuckende Phädra-Tragödin zu erleben, Sophie Rois kehrt in ihr Wohnzimmer am Rosa Luxemburg-Platz zurück, machte es sich an dem verstolperten Pollesch/Bergman-Abend ansonsten allzu gemütlich. Und Dimitrij Schaad kommt nach vier Jahren wieder an seinen geliebten Stammplatz vorne an der Rampe des Gorki Theaters zurück. Als Krokodil, das schon zwei Artensterben überlebt hat, ist er der Chef im Ring bei der Reality-Dschungel Camp-Show, die Yael Ronen und Itai Reicher fürs Gorki Theater erdacht haben. Gleich die nächste gute Nachricht: an seiner Seite ist auch Jonas Dassler endlich zurück. Als depressiver, ständig unverstandener Fledermaus-Rockstar setzt er das zweite Ausrufezeichen des Abends.

Schaad/Dassler hätten sich locker drei Stunden lang die Bälle zuspielen können und es wäre ein Schauspielfest geworden. Doch die Stärke von „Planet B“ ist es, dass Ronen/Reicher ihre Stars in ein stimmiges Gesamtkonzept einbinden. Angefangen von den schillernden Kostümen von Amit Epstein bis zur schrägen Bühnen-Rampe von Wolfgang Menardi, auf der die Lebewesen ihrem Exitus entgegenschittern, fährt dieser Abend sehr viel Spektakuläres auf.

Zeichneten sich Ronen-Abende zuletzt dadurch aus, dass anderthalb Ideen schon nach der ersten halben Stunde verpufften, überzeugt „Planet B“ mit einem witzigen Setting: Aliens verfolgen das Treiben der Menschen schon lange. Da Homo sapiens so viel Unheil anrichtet, wollen sie nun den Stecker ziehen. Der Projektleiter kapert den Körper des kasachischen Kinderkrankenhausclowns Juri (Schaad) und beruft einen Vertreter aller Spezies in das bereits erwähnte Camp ein. Die extraterrestrischen Zuschauer*innen machen es sich gemütlich und entscheiden per Voting, wer überleben darf.

Diese Show wird zum Ensemble-Abend, in der nicht nur Dassler/Schaad glänzen dürfen, sondern alle Figuren präzise ausgearbeitet sind: Aysima Ergün als dienstbeflissene Ameise, Gorki-Neuzugang Alexandra Sinelnikova als Fuchs-Influencerin, Orit Nahmias als beleidigtes Huhn, Maryam Abu Khaled als Panda und vor allem Niels Bormann in einer Paraderolle als Boris aus Bremen, Vertreter einer Menschheit, die kurzsichtig in den Abgrund stolperte und bis zum Ende recht behalten will.

„Planet B“ lebt von einem Feuerwerk an vielen kleinen Gags und Nummern: eine große Weltuntergangs-Komödie, die sehr stringent inszeniert ist und bis zur letzten Pointe hervorragend unterhält.

Dieser tolle Abend war natürlich auch in der Diskussion für das Theatertreffen 2024, schaffte es aber nicht von der Shortlist in die 10er Auswahl, da sich Yael Ronen mit ihrem Schaubühnen-Musical „Bucket List“ selbst Konkurrenz machte.

Vorschaubild: © Stefano Di Buduo

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