Kranetude

Die Berliner Kritik und die jungen Fans der Radikalperformerin machten sich am gestrigen Abend zu einem Ausflug in den beschaulichen Villenvorort Friedrichshagen am Müggelsee. Der Eingang zum Strandbad war etwas versteckt, aber gemeinsam bahnte sich die Gruppe ihren Weg durch das vielen unbekannte Terrain.

Mit einem fulminanten Spektakel eröffnete Holzinger diese Spielzeit: „Ophelia´s got talent“ lässt an der Volksbühne die Kassen klingeln und war der Hit einer durchwachsenen Theatertreffen-Ausgabe. Nun beendet Holzinger die Spielzeit mit einer nicht mal 40 Minuten kurzen „Kranetude“, allerdings nicht als Volksbühnen-Produktion, sondern als Abschiedsgeschenk für die Intendantin Franziska Werner, die an diesem Wochenende die Sophiensaele nach 12 Jahren verlassen wird. Dort hat René Pollesch sie entdeckt, noch vor ihrem Durchbruch mit „Tanz“ in der Spielzeit 2019/20, voll entfalten konnte sie ihre brachialen Stunts und Breitband-Spektakel erst in der wuchtigen Raumwirkung am Rosa-Luxemburg-Platz und mit Unterstützung der Castorf-gestählten Gewerke.

Zu den Drums, die Sibylle Fischer mit ausladenden, geradezu parodistischen Bewegungen dirigiert, begeben sich die Performerinnen von Holzingers Compagnie zum Badesteg, wo ein überdimensionaler Kran thront und die wie bei diese Regisseurin üblich nackten Frauen in die Höhe hebt. An den Haken baumelnd vollführen sie ein Ballett, während unten zwei Kolleginnen auf Wasserski in James Bond-Manier über die Seeoberfläche rasen und auch kurz eintauchen. In diesen kurzen Szenen steckt alles drin, was Florentina Holzinger zu einer der angesagtesten Größen der Theater- und Performance-Szene machte.

Anders als bei der überbordenden anspielungsreichen „Ophelia“-Show bietet dieser unterhaltsame Saison-Ausklang nicht mehr als eine sommerliche, kleine Etüde, in der Holzinger ihre Virtuosität kurz aufblitzen lässt. Wie Esther Slevogt in ihrer Nachtkritik betonte, bietet der Abend abr auch nicht weniger, so dass sich die Anreise gelohnt hat, auch wenn sie für die allermeisten wohl länger war als die Show vor Ort.

Bild: Mayra Wallraff

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