Uli Khuons Abschied vom DT

Nach vierzehn Jahren ging Uli Khuons Intendanz am Deutschen Theater Berlin gestern Abend zu Ende. In seiner letzten Spielzeit wurde das DT zum „Theater des Jahres“ gekürt. Die beiden Inszenierungen, die er für das Finale programmierte, sagen viel über seinen Stil und seine Schwerpunkte:

Auf der großen Bühne lief ein letztes Mal „Diebe“ von Dea Loher in der Uraufführungs-Inszenierung von Andreas Kriegenburg. Mit beiden verbindet Khuon eine sehr lange Zusammenarbeit, in Hannover und Hamburg feierten sie Erfolge, nach holprigem Start mit unerwartet viel Gegenwind kam „Diebe“ im Januar 2010 zur Premiere und polarisierte: Jubel von Peter von Becker im Tagesspiegel, eine Einladung zum Theatertreffen, aber auch sehr verhaltene Kritiken und viel gehässiger Spott der Pseudonyme, die damals in der Nachtkritik-Kommentarspalte dominierten. Durch alle Widrigkeiten hindurch hielt Khuon Kriegenburg auch über viele Berliner Jahre die Treue, erst gegen Ende wurde die Zusammenarbeit seltener.

Das Mühlrad, das Kriegenburg (Bühne und Regie in Personalunion), dreht sich unermüdlich und spült die tragikomischen, verlorenen Gestalten nach vorne. Nur lose sind die Figuren und ihre Episoden verbunden, in den mehr als dreieinhalb Stunden wechseln sich dramaturgische Leerstellen und Längen mit kleinen Glanznummern. Fast das komplette Ensemble aus der Premieren-Besetzung stand gestern auf der Bühne: Im Dialog zwischen Susanne Wolff als Boutique-Inhaberin Gabi Nowotny und Daniel Hoevels als Polizist Thomas Tomason prallen Welten aufeinander und lassen komödiantische Funken sprühen. Bernd Moss und Anita Iselin (statt Katrin Klein) steigern sich ebenfalls wunderbar komisch in die Angst hinein, dass ein Tier im Garten sie beobachtet. Alexandra Finder übernahm von Barbara Heynen die Rolle der Monika Tomason, die von der Stelle als Filalleiterin in Holland träumt und desillusioniert auf den Boden der Tatsachen geholt wird, Linn Reusse ersetzt Olivia Graeser als Mira Halbe, Susanne Wolffs Sparrings-Partnerin im Dialog über Abtreibungen und Männer, die sie ebenso gerne los werden möchten.

Zwei Jahre nach der Premiere habe ich die Inszenierung schon einmal gesehen und mehr als ein Jahrzehnt später ist das Fazit ähnlich: der Abend wirkt weder veraltet noch ist er gereift oder gewachsen, was sonst bei Inszenierungen zu beobachten ist, die so viele Gastspiele hinter sich haben und so lange im Repertoire sind. Die Grundstimmung dieser Miniaturen und taumelnden Gestalten schwankt zwischen Melancholie und Aberwitz, in der zweiten Hälfte dominieren die leiseren, traurigeren Töne, einige Striche in der Textfassung hätten den Theaterabend dichter gemacht. Komik und Ermüdung wechseln sich ab.

Nebenan in der Box fand parallel die zweite Dernière stand. Auch „Unspoken“ steht für einen prägenden Aspekt von Khuons Intendanz: die Experimentierräume, die er dem Jungen DT ließ und seine wachsende Offenheit für queere Themen in der zweiten Hälfte seiner Amtzszeit.

Nach längerer Umbaupause verabschiedete sich das DT-Ensemble noch mit einem tollen Konzert auf der Kammerspiele-Bühne: Fritzi Haberlandt und Katrin Wichmann, die schon vor 24 Jahren in Hannover mit Khuon arbeiteten und mit ihm ans Thalia Theater wechselten, sangen „Uli, Du bleibsch bei mir“, Elias Arens und Jeremy Mockridge ließen es mit einer Rocknummer und intensiven Zungenküssen knistern, Caner Sunar feierte den scheidenden Intendanten im roten Abendkleid mit „Für Uli soll´s rote Rosen regnen“. Dazwischen schaltete sich immer wieder Bernd Moss als Conférencier ein, der aus seinem fiktiven DT-Tagebuch las und dabei vor allem seinen Chef und dessen Gattin Marianne durch den Kakao zog. In den Zwischenmoderationen teilte er aber auch mit Seitenhieben gegen benachbarte Häuser aus, viele Pointen richteten sich nur an Insider am Haus.

Schade war, dass ausgerechnet zum Finale das DT-Team das Gespür für das Publikum verließ. Es ist sicher dem anstrengenden Trubel der vergangenen Tage geschuldet, dass wir mehr als eine halbe Stunde in dem engen, sauerstoffarmen Schlauch zwischen Bar und Kammereingang auf Einlass zum Konzert warten mussten. Dort waren die meisten Plätze schon belegt. Als ich einen Platz gefunden hatte, kamen zwei Furien angerauscht, die angeblich DT-Mitarbeiterinnen waren, ich aber bisher nie gesehen hatte, und auf den angeblich für sie reservierten Plätzen beharrten. Im Ton fast so uncharmant wie DDR-Grenzsoldatinnen konterkarierten diese Vertreterinnen toxischer Weiblichkeit Khuons oft wiederholtes Mantra, wie wichtig es sei, dass sich das Publikum willkommen fühle und dass dafür auch die Mitarbeiter im „Vorderhaus“ eine wesentliche Rolle spielen. 14 Jahre lang wurde das gut eingelöst, aber beim Abschlusskonzert fühlte ich mich dann doch eher nur geduldet als willkommen.

Ein weiteres Fragezeichen zu all den Lobeshymnen von Uli Matthes, Maren Eggert und Fritzi Haberlandt, was für ein toller Chef in wertschätzendem Klima Uli Khuon gewesen sei, setzte ein Erlebnis in der Nieselregen-Warteschlange für die letzte Bratwurst vor dem Heimweg. Zwangsläufig habe ich dort den sichtlich geschockten Bericht eines Technik-Mitarbeiters an seinen Gesprächspartner mitgehört, dass er unmittelbar vor der letzten Vorstellung erfuhr: Heute ist Dein letzter Arbeitstag! Dementsprechend fuhr ich mit dem Gefühl nach Hause, auch wenn ich die Hintergründe nicht kenne und die Quellen nicht überprüfen kann.: Was für ein Glück, dass ich nicht an einem Theater arbeite, an dem ein so respektloser Umgang möglich ist.

Bild: Klaus Dyba

 

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