Half Life

Der neue Staatsballett-Intendant Christian Spuck startet mit einer von wenigen Übernahmen in seine erste Berliner Spielzeit und verbindet zwei sehr unterschiedliche, kleine Arbeiten zu einem Doppelabend an der Staatsoper unter den Linden.

Alexander Ekmans LIB erzählt zu Klängen von John Lennon oder den Talking Heads vom Ausbruch aus Normen und Schubladen-Denken. Ein Zottelmonster (Alexander Abdukarimov unter Echthaarperücke) trottet über die Bühne, während sich neben ihm Erste Solistinnen des Ensembles wie Elisa Carrillo Cabrera und Ksenia Ovsyanick in grazilen Ballerina-Posen üben. Das Kostüm erinnert nicht von ungefähr an Peter Simonischeks Auftritt in der „Toni Erdmann“-Komödie. Sowohl Charlie Le Mindu, ein New Yorker Designer, der schon mit Lady Gaga für ihre Videos arbeitete, als auch Maren Ades Film von 2016 beziehen sich auf die bulgarische Kukeri-Tradition, wie Dramaturgin Katja Wiegand erklärte.

In dieser witzigen, halbstündigen Spieleri verschwinden nach und nach auch die Startänzerinnen unter den hässlichen Zottel-Perücken, bis schließlich alle gemeinsam entspannt vorne an der Rampe sitzen und ins Publikum lächeln.

Eine ganz andere Stimmung transportieren Sharon Eyal/Gai Behar/Ori Lichtik in ihrer Half Life-Kreation, die dem Doppelabend auch den Namen gibt. Im Halbdunkel beginnt ein Duo zu tanzen, bis sich eine Gruppe um sie formiert: zu mitreißenden Techno-Beats und in perfekt abstimmten ruckartig kleinen Bewegungen imitieren sie die rauschhaften Trance-Zustände, in die sich Club-Gänger im Berghain oder anderswo versetzen. In enganliegenden Kostümen formieren sie sich immer neu, mal nebeneinander als Phalanx aufgereiht, mal zu einem Klumpen geballt, mit dem größten und athletischsten Tänzer in der Mitte.

Beide Stücke, die 2019 bzw. 2018 Premiere hatten, liefen auch schon vor dem Corona-Lockdown von 2020 im Paket, damals als Dreier-Kombination mit einer William Forsythe-Choreographie. Einige Tänzerinnen und Tänzer gaben nach Umbesetzungen ihr Rollen-Debüt.

Der Doppel-Abend ist in dieser Spielzeit noch an 6 Terminen bis 1. Oktober zu sehen, bevor die neue Intendanz mit einer ganzen Reihe vielversprechender Premieren so richtig Fahrt aufnehmen wird.

Bilder: Jubal Battisti

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