Woyzeck

Diese Gothic-Ästhetik ist sofort wiedererkennbar: in einen düsteren Wald an ein Lagerfeuer hat Ersan Mondtag, wie üblich Regisseur und Bühnenbildner, das „Woyzeck“-Fragment von Georg Büchner verlegt. Der schlaksige Maximilian Diehle sitzt mit verlorenem Blick ganz allein am Steg auf der Vorderbühne, bevor sich der Eiserne Vorhang hebt und den Blick auf die beschriebene Szenerie freigibt.

Mondtags Inszenierung, die als Koproduktion von Berliner Ensemble und Scharoun Theater Wolfsburg entstand, konzentriert sich ganz darauf, die Atmosphäre eines toxischen Männerbunds zu evozieren, die Woyzeck die Luft zum Atmen nimmt und ihn in den Wahn treibt. Diehle ist in seiner ersten großen Rolle am BE eine hervorragende Besetzung für diesen Woyzeck, der stets ein wenig neben sich steht und ein Spielball der Männer um ihn herum ist.

Ein weiterer Besetzungscoup ist Max Gindorff, der in der vergangenen Spielzeit u.a. im Werkraum-Projekt Alias Anastasius zu sehen war und nun seinen Einstand als Ensemble-Mitglied auf der großen Bühne gibt. Als Tambourmajor stellt er seine Muskeln stolz zur Schau und strahlt selbst wenn er sich am Steg räkelt eine Aggressivität aus, die jederzeit eskalieren kann.

90 Minuten lang funktioniert dieses toxische Panorama zur von Tristan Brusch komponierten Live-Musik recht gut. Die altbekannte Ästhetik des Shootingstars der zweiten Hälfte der 2010er Jahre, um den es nach drei Theatertreffen-Einladungen (2016/2017/2019) stiller geworden ist, harmoniert mit dem Klassiker-Stoff aus dem 19. Jahrhundert. Allerdings machte der Regisseur den Fehler, den Abend zu verwässern. Statt der noch auf dem Abendzettel angekündigten 1 Stunde 40 Minuten zieht sich die „Woyzeck“-Inszenierung zunehmend zerfasernd bis zur Zwei Stunden-Marke.

Dass Mondtag ein rein männliches Ensemble engagiert und somit auch die Marie mit einem Mann (Gerrit Jansen) besetzt, ist eine Idee, die auf das Gesamtkonzept der Inszenierung keine größeren Auswirkungen hat und etwas willkürlich wirkt. Der Abend ist ganz auf die toxische Atmosphäre mit ihrem bedrohlich anschwellenden Kampfhubscher-Lärm abgestimmt.

Irritierend ist, wie ungebrochen die toxische Männlichkeit in einer Schlüssel-Szene auf der Bühne dargestellt wird, in der das gesamte Ensemble feixend um den kleinwüchsigen Kollegen Peter Luppa feixend herumsteht und ihn wie ein exotisches Wesen begafft. In den meisten anderen Arbeiten der vergangenen Jahre hätten sich die Regie-Teams wohl für eine distanzierende Verfremdung entschieden anstatt die Toxizität so unmittelbar nachzustellen wie es in früheren Jahrzehnten gang und gäbe war.

Bilder: Birgit Hupfeld

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert