Bunbury. Ernst sein is everything!

In ihrer Antritts-Pressekonferenz im Juni betonte Iris Laufenberg, die neue Intendantin des Deutschen Theaters, wie sehr ihr gut gemachte Komödien am Herzen liegen. Neben stärkeren feministischen und postkolonialen Akzenten fallen die zahlreichen komödiantischen Stoffe als wesentliche Neuerung gegenüber Uli Khuons Amtszeit in ihrer ersten Spielzeit auf.

Aus Graz hat sie „Bunbury. Ernst sein is everything!“-Inszenierung mitgebracht, die dort einem Jahr ihre letzte Spielzeit in Österreich eröffnete und nun mit einer Umbesetzung ins Berliner Repertoire der DT-Kammer übernommen wurde. Felix Goeser spielt die Nebenrolle des Pastors (statt Fredrik Jan Hofmann) und ergänzt ein eingespieltes Ensemble.

Es ist der Trumpf dieses Abends, dass hier ein offensichtlich über Jahre gewachsenes Ensemble seine Spielfreude gemeinsam auslebt. Das Tempo ist hoch, das Timing sitzt, die Figuren aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind überzeichnet, Claudia Bossard und ihr Team halten jedoch die Balance und rutschen nicht in reinen Klamauk.

Charakteristisch für diese Oscar Wilde-Interpretation ist das konsequente, schon im Titel angelegte Denglish. Häufig wechseln die Spieler*innen mitten im Satz von einer Sprache in die andere. Dabei tänzeln sie auf der fast leeren Bühne über den schmalen Catwalk, den Elisabeth Weiß in schwarz-weißen Schachbrett-Farben im Zentrum angelegt hat.

Die Verwechslungskomödie nimmt ihren Lauf, handwerklich ist nichts zu beanstanden, könnte bis auf das Faible für die Sprachverwirrung so auch an die großen Privattheater verlegt werden, ohne das dortige Boulevard-Komödien-Publikum zu verschrecken.

Nach der Auflösung aller Doppelrollen und Missverständnisse durch Katrija Lehmanns etwas zu sehr in die Karikatur einer Gouvenante abgleitende Miss Prism weicht Bossard erstmals deutlich vom Original ab. Wie bei Wilde gibt es zwar ein Happy-End, aber die heteronormative Ordnung der viktorianischen Gesellschaft wird nicht wiederhergestellt. Die beiden Dandys John Worthing (Frieder Langenberger) und Algernon Moncrieff (Andri Schenardi), die sich mit einem erfundenen Bruder bzw. kranken Freund die nötigen Freiräume für den Ausbruch aus dem strengen Korsett erlogen haben, heiraten hier nicht ihre Angebeteten, sondern küssen sich in der letzten Szene innig an der Rampe.

Eine Schwäche von Bossards Inszenierung ist, dass dieser homosexuelle Kuss nicht aus dem Stück heraus entwickelt wird, sondern nur angeklebt wirkt. Warum sie sich für dieses Ende entschied, machte sie im Interview auf dem Abendzettel deutlich: der Verweis auf die autobiographischen Erfahrungen von Oscar Wilde, der seine Homosexualität verstecken musste und letztlich dafür verurteilt wurde, ist ein naheliegender Ansatz für einen heutigen Blick auf sein Stück „Bunbury“, das im Original „The Importance of Being Earnest“ heißt und 1895 uraufgeführt wurde. Doch dieser neue Blick zeigt sich erst in den letzten zwei Minuten, die zwei Stunden davor erleben wir eine recht konventionelle Lesart.

Die beiden Dandy-Hauptdarsteller Langenberger und Schenardi bleiben von dieser Inszenierung dennoch besonders in Erinnerung. Langenberger war sogar neben Promis wie Burgtheater-Star Michael Maertens, gegen den er sich letztlich nicht durchsetzen konnte, für einen Nestroy, den österreichischen Theaterpreis, als bester Schauspieler nominiert. Die Grazer Produktion konnte sich aber am Abend nach der Berlin-Premiere über die Auszeichnung für die beste Inszenierung aus einem der Bundesländer jenseits von Wien freuen.

Bilder: Kooné

 

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