Ein schrulliges Potpourri aus Fundstücken serviert Andrea Breth in ihrem „Schauspiel mit Musik“, das vor fast auf den Tag genau einem Jahr am Berliner Ensemble Premiere hatte und als kleine Rarität aus einem Paralleluniversum ab und zu weiter auf dem Spielplan steht.
„Ich bin ratlos und sprachlos. Ich kann nur noch Fragmente erzählen“, zitiert Produktions-Dramaturgin Sibylle Baschung die Regisseurin Andrea Breth, die sich als Meisterin des psychologischen Einfühlungstheaters und strenge Verteidigerin der Werktreue kanonischer Stoffe ohne jede Einschübe einen Namen gemacht. Was Breth so sehr belastet, dass kein stringenter Abend entstehen konnte, deutet Hans-Dieter Schütt in einem Probenbericht im Programmheft an: „Das Rechthabenwollen tritt kriegerisch auf“, lautet ein Schlüsselsatz. Corinna Kirchhoff, die Breth schon an der Schaubühne der 1990er Jahre eng verbunden war und auch eine zentrale Spielerin dieser Revue ist, trat wenige Wochen vor der Premiere mit Alice Schwarzer/Sarah Wagenknecht bei einer großen Kundgebung gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und für Verhandlungen mit Russland auf.
Auf der Basis der Rat- und Sprachlosigkeit konnte nur ein Abend entstehen, der aus zersprengten Fragmenten besteht: „Etüden aus Biedersinn und Unsinn.“ Ausstaffiert als graue Mäuse wirft sich das Ensemble in überseigerte Posen und dick aufgetragenen Slapstick der Schauspieler und zehn Statisten, mit dem recht wahllos Fundstücke aus vergangenen Jahrzehnten aneinander gereiht wird.
Manchmal gibt es verdienten Szenen-Applaus, wenn z.B. Johanna Wokalek, die während Breths Zeit als Burgtheater-Hausregisseurin, Titelrollen spielte, ein kleines komödiantisches Kabinettstückchen aus der französischen Version des „Fever“-Klassikers zaubert. Öfter ist der Humor schon etwas angeranzt: Dieter Hildebrandts Kabarett-Nummer „Der Mond ist aufgegangen“, in der er 1985 den Politsprech der Bundestagsdebatten der biederen Bonner Republik karikierte, holten Breth und ihr Team aus dem Archiv. Neben surrealen Szenen aus „Twin Peaks“ und „Lost Highway“ von David Lynch fragt man sich bei den meisten kleinen Nummern, die der Programmzettel minutiös mit Quellenangaben auflistet, um welche Quisquilie es sich diesmal handelt, die in den langen drei Stunden komplett unverbunden nebeinander stehen, und nach welchen Kriterien es dieser oder jener Schnipsel in die Stückfassung geschafft hat.
In ihrer zweiten Arbeit an Reeses BE nach der betulichen Salonkomödie „Drei Mal Leben“ versammelte Breth langjährige Lieblingsschauspielerinnen aus ihren Schaffensphasen. Neben Kirchhoff und Wokalek kamen Martin Rentzsch und Peter Luppa aus Reeses Ensemble und Alexander Simon, der sich auf den Theaterbühnen lange rar machte, hinzu. Für die musikalischen Arrangements eines skurrilen Potpourris aus Kunst- und Volksliedern, Tango-Rhythmen, Couplets und Schlagern zeichnet Adam Benzwi, der seit der Dreigroschenoper auch dem BE neben seinem Stammhaus, der Komischen Oper, eng verbunden ist.
Ratlosigkeit hinterließ dieser Abend, der mit seinem erlesenen Ensemble wenig anzufangen weiß und sich aus der von zahlreichen Krisen überschatteten Gegenwart in einen tragikomischen Eskapismus wegträumt.
Bilder: Ruth Walz