Der Coming of Age-Film gehört zu den abgedroschenen und ausgelutschten Genres. Deshalb ist es erstaunlich, dass es immer wieder neue, junge Debütfilme gibt, die das Rad nicht neu erfinden, aber mit frischeb Ideen neue Factten des Themas beleuchten.
Sean Wang, ein taiwanesisch-amerikanischer Regisseur, fiel bereits 2023 mit dem für den Oscar nominierten Dokumentar-Kurzfilm über seine beiden Großmütter „Nǎi Nai & Wài Pó“ auf. Im Januar 2024 landete er einen Hit in Sundance. Im Wettbewerb für US-amerikanische Spielfilme gewann sein fiktionaler Erstling „Dìdi“ nicht nur den Publikumspreis, sondern auch einen Spezial-Preis der Jury für die beste Ensemble-Leistung.
Im Mittelpunkt steht Chris Wang, gespielt von Izaac Wang, den seine Familie nur „DÌdi“ nennt: Er gehört zur ersten Generation der Digital Natives, verbringt 2008 im kalifornischen Städtchen Fremont viel Zeit auf der damals angesagten Plattform MySpace und im AOL Messenger-Chat, Facebook entwickelt sich gerade zum nächsten großen Ding. Im Leben des Teenagers dreht sich alles um die üblichen Probleme, die wohl fast alle 13jährigen plagen: Wie komme ich möglichst cool rüber? Wie komme ich am besten an meinen Crush ran? Wie schaffe ich es, trotz Verunsicherung und Pubertäts-Wirren Freunde zu behalten oder gar neue zu finden?
„Dìdi“ kommt mit seinem frechen Charme meist ganz gut an, schafft es aber immer wieder, sich komplett ins Abseits zu manövrieren, da er zu dick aufträgt, um ja nicht zu kindlich oder zu erfahren zu erscheinen. Die Coming of Age-Komödie misst die ganze Achterbahnfahrt seiner Gefühle aus. In Dìdis Fall kommt noch der Alltagsrassismus hinzu, der ihm als Sohn ostasiatischer Einwanderer immer wieder begegnet.
Die zweite Hauptrolle spielt seine Mutter, verkörpert von Joan Chen: während der Vater meist auf Dienstreise ist, versucht sie, ihre beiden Kinder behütet aufwachsen zu lassen und gerät dabei oft zwischen die Fronten der Revierkämpfe und Pubertätshänseleien von Dìdi und seiner älteren Schwester Vivian (Shirley Chen). Als Sandwich-Generation wird die Mutter von ihrem Sprössling ähnlich schlecht behandelt wie von der notorisch über alles meckernden, ihren Erziehungsstil kritisierenden Schwiegermutter Nai Nai (Chang Lin Hua), die mit im Haus lebt.
„Dìdi“ ist ein heiterer Sommerfilm, der melancholisch-nostalgischer Note von den Nöten der Pubertät berichtet. Einziger Schwachpunkt des erstaunlich reifen Debüts von Sean Wang ist der etwas zu sentimentale Schluss.
Nach der Sundance-Premiere am 19. Januar 2024 lief „Dìdi“ vor einigen Wochen beim Filmfest München im Wettbewerb Cinekindl und startete am 15. August 2024 in den deutschen Kinos.
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