Fampitaha, fampita, fampitàna

Zwischen Tanz- und Sprechtheater-Performance, zwischen den Kulturen Frankreichs und ihrer Herkunftsländer und zwischen sehr unterschiedlichen Musikstilen von Barock bis Rock haben Soa Ratsifandrihana und ihr Team den 90minütigen Abend „Fampitaha, fampita, fampitàna“ angesiedelt. Dieser madagassische Dreiklang lässt sich laut Programmheft mit „Vergleich, Weitergabe, Wettstreit”.

Das Wesen dieser Choreographie ist ihr Stilmix, ein Gewitter aus Zeichen, Codes und Anspielungen. Vom engen Korsett höfischer Tänze der europäischen Kultur früherer Jahrhunderte bis zu Geschichten über Kinder, die sich in Krokodile verwandeln, aus dem Mythenschatz afrikanischer und karibischer Regionen, in denen die Vorfahren des Teams ihre Wurzeln haben, reiht das Stück in hohem Tempo viel Disparates an einander.

Ebenso schnell wie sich Audrey Merilus, Stanley Ollivier und Soa Ratsifandrihana zur Live-Musik von Joël Rabesolo (E-Gitarre, Percussion) um die eigene Achse drehen, kreist auch „Fampitaha, fampita, fampitàna“ um die Themen kulturelle Aneignung, Aufoktroyieren kolonialer Strukturen und Suche nach eigener Identität. Viel länger als die Liste der Performer*innen ist die Aufzählung all der Menschen, die als Outside-Eye oder mit fachlicher Expertise an der Produktion mitgewirkt haben, die im Mai beim Brüsseler Kunstenfestival herauskam. Dort lebt auch Regisseurin und Hauptakteurin Ratsifandrihana, die seit 2016 Mitglied der Compagnie von Rosas von Anne Teresa De Keersmaeker ist.

Neben vielen französischen und belgischen Festivals und Produktionshäusern hat auch Tanz im August „Fampitaha, fampita, fampitàna“ koproduziert. Am Eröffnungswochenende ist das Stück drei Mal im HAU 2 zu sehen, für die letzte Vorstellung heute Abend gibt es nur noch Restkarten an der Abendkasse.

Hin- und herspringend zwischen französischen Zungenbrechern im Stil von „Fischers Fritz“ und Straßennamen, die auf koloniale Gewalt anspielen, ist der Abend so facettenreich und spielt auf so viele Motive der französischen, haitianischen oder madagassischen Kultur an, dass er erst mit Beipackzettel verständlich wird.

Bild: Harilay Rabenjamina

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