Tatami

Ein ungewöhnliches Duo fand sich zusammen, um Regie bei „Tatami“ zu führen: der israelische Regisseur Guy Nattiv, der bei der Berlinale 2019 mit dem Neonazi-Drama „Skin“ auffiel und dort zuletzt auch 2023 mit dem Biopic „Golda“ vertreten war, drehte diesen Film gemeinsam mit Zar Amir, einer im Pariser Exil lebenden iranischen Schauspielerin, die 2022 in Cannes für ihre Rolle in „Holy Spider“ mizt einer Silbernen Palme ausgezeichnet wurde. Die Co-Regisseurin spielt diesmal die wichtigste Nebenrolle der Trainerin Maryam.

Als konventionelles Sportdrama beginnt „Tatami“, benannt nach dem Fachbegriff für die Judo-Wettkampf-Matte. Wir begleiten Leila zu ihren Erstrunden-Kämpfen bei der WM in Tiflis. Alles scheint nach Plan zu laufen, das Sportkommentatoren-Duo nervt mit klischeehafter Aufgekratztheit.

Die entscheidende Wende hin zum Politdrama nimmt „Tatami“ als die Trainerin einen Anruf aus Teheran bekommt: sie soll ihre Athletin anweisen, eine Verletzung vorzutäuschen und die WM zu verlassen. Der Grund ist die panische Angst des Regimes, dass ihre Sportlerin ausgerechnet gegen eine Rivalin des Erzfeinds Israel verlieren könnte. Beide Staaten manövrierten sich in den vergangenen Monaten gefährlich nah an den Abgrund eines Krieges.

Die Schmach einer Niederlage gilt es aus Sicht des Regimes um jeden Preis zu vermeiden. Als Leila sich weigert und weiter Runde um Runde vorankämpft, packen die Schergen ihre Folterwerkzeuge aus und verhaften Leilas Eltern. Ihr Mann und Sohn können im letzten Moment flüchten.

„Tatami“ lebt von dem Dilemma, in dem die Hauptfigur in den Katakomben des Stadions steckt: ganz in Schwarz-Weiß und in strengem 4:3-Format hat Todd Martin dieses Polit-Drama gefilmt. Streckenweise ist der Film von Nattiv/Amir jedoch etwas holzschnittartig geraten. Gerade aus dem Iran gab es in den vergangenen Jahren einige sehenswerte Filme, die den gewaltigen Druck des Mullah-Regimes subtiler kritisierten und darstellten.

Die dargestellten Ereignisse sind fiktiv, allerdings ist er vom Fall des iranischen Judoka Saeid Mollaei bei der WM 2018 in Tokio inspiriert.

„Tatami“ hatte im September 2023 in der Sektion Orizzonti, der wichtigsten Nebenreihe des Festivals von Venedig, Premiere und lief anschließend bei weiteren Festivals wie in Göteborg, Zürich, Tokio und München. Am 1. August 2024 startete das Sport- und Politik-Drama „Tatami“ während der Olympischen Spiele in den deutschen Kinos.

Bild: ©Judo Production LLC / Juda Khatia Psuturi 

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