Zum Abschluss dieses starken Kinojahres kommt noch eine ganz unerwartete Performance um die Ecke: Hugh Grant, Mr. RomCom, brilliert als sadistischer Bösewicht, der zwei junge Mormonen-Missionarinnen in ein tödliches Spiel aus Macht, Kontrolle und Religionskritik verstrickt.
Als Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East) an der Tür klingeln und der in seinem Pulli etwas kauzig wirkende, aber so nett lächelnde Mr. Reed (Hugh Grant) öffnet, tappen sie in die Falle. Müde davon, ihre üblichen Sprüche runterzurattern, locken sie die Aussicht auf Blaubeerkuchen und ein trockener Unterschlupf vor dem prasselnden Regen.
Der gebildete Mann bleibt stets höflich und verbindlich, irritiert aber früh mit sehr persönlichen, herausfordernden Fragen, die zum Katz und Maus-Spiel werden. Natürlich hat Mr. Reed alle Trümpfe in der Hand, wenn er den beiden Sektiererinnen genüsslich nachweist, wie eng verwoben Machtanspruch und Kontroll-Sucht mit religiösen Heilslehren verbunden sind.
In der ersten Hälfte überraschen Scott Beck und Bryan Woods, die gemeinsam das Drehbuch schrieben und Regie führten, mit einem klaustrophobischen Thriller, der geschickt religionskritischen Salon-Disput mit einer zunehmend bedrohlicheren Atmosphäre verzahnt und sich dabei langsam voranpirscht.
In der zweiten Hälfte kann „Heretic“ dieses Niveau nicht mehr halten, wird zum Genre-Kino mit Grusel- und Mystery-Effekten, das vom Ausbruchsversuch aus einem Horror-Haus erzählt. Zwischen aberwitzigen Plot-Twists erleben wir bekannte Motive des Genres.
„Heretic“ ist vor allem wegen seiner starken ersten Hälfte und seines Darsteller-Trios sehenswert, aus dem Hugh Grant herausragt. Vor wenigen Tagen bekam er eine Golden Globe-Nominierung als bester Hauptdarsteller in einer Komödie, obwohl „Heretic“ nicht so recht in diese Gattung passt.
Seine Premiere hatte „Heretic“ im September 2024 in Toronto, im Herbst brachte ihn A24 in die US-Kinos, in Deutschland startete er am 26. Dezember 2024.
Bilder: Plaion Pictures/Kimberley French