Don Giovanni/Requiem

Mehrere ungewöhnliche Setzungen bringt das russische Multitalent Kirill Serebrennikow zum Abschluss seiner Mozart/da Ponte-Trilogie auf die Bühne der Komischen Oper im Schillertheater: Don Giovanni (Hubert Zapiór) ist von Beginn an in einem Zwischenreich zwischen Leben und Tod. Die Seele seines ermordeten Rivalen, des Komturs, geistert kommentierend durch die 3h 40 Minuten lange Inszenierung: Norbert Stöß, der dem Berliner Theaterpublikum vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Leander Haußmann seit den gemeinsamen Anfängen in Gera bekannt ist, begleitet Giovannis Höllenfahrt mit Passagen aus dem Tibetischen Totenbuch.

Im dicken Programmbuch, das sich Operndramaturgien im Gegensatz zu den meisten Sprechtheatern noch leisten können, erklärt der Regisseur und Bühnenbildner seine Einstellung zum Buddhismus, zum Karma und zur Lehre der Bardos, der Schwebezustände, die in dieser Inszenierung eine so zentrale Rolle spielen.

Die nächste Setzung ist, dass statt der Donna Elvira ein Don Elviro als verschmähter Liebhaber auf Rachemission auftritt. Don Giovanni wird zur queer/bisexuellen Figur. Die stimmlichen Qualitäten des brasilianische Soprans Bruno de Sá und seine bis in den Schlussapplaus fortgeführten komödiantischen Verwicklungen mit dem Duo Don Giovanni (Zapiór) und Leporello (Tommaso Barea) sind der Höhepunkt dieses langen Opernabends.

Die dritte ungewöhnliche Idee ist, dass nicht mit der Höllenfahrt Schluss ist, sondern der Chor noch die Teile des Requiems bis zum „Lacrimosa“ dranhängt, die Wolfgang Amadeus Mozart vor seinem Tod fertigstellen konnte. Eine typisch-schlitzohrige Barrie Kosky-Idee ist es, dass stattdessen eine zentrale Arie gestrichen ist: eine Reaktion auf den Sparkurs des Senats, wie es auf dem hochgehaltenen Pappschild heißt.

Bevor Serebrennikow nach Cannes und Salzburg weiterzog, um seinen neuen Film vorzustellen und seine neue Romanadaption für die Theaterbühne zu proben, schloss er seine Trilogie an der Komischen Oper mit einem fordernd-voraussetzungsreichen Abend ab. Die Premiere war am 27. April 2025, in dieser Spielzeit gibt es nur noch eine Vorstellung, bevor die Inszenierung im Dezember/Januar wiederaufgenommen wird.

Bilder: Frol Podlesnyi

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