Pendiente de voto

„Demokratie und Tragödie“ hat sich das FIND-Festival der Schaubühne als Motto für das Jahr 2017 gewählt. Wie schnell die Demokratie zur Farce werden kann, möchte Roger Bernat aus Barcelona mit seinem Mitmachtheater „Pendiente de voto“ demonstrieren.

Das Publikum bekommt Abstimmungsgeräte in die Hand gedrückt und soll auf die Fragen, die auf der großen Leinwand aufleuchten, mit „Ja“ oder „Nein“ antworten. Worauf das Ganze hinauslaufen soll, ist zunächst nicht klar: Scherzfragen wechseln sich mit ernsthaften Alternativen ab. Das „System“ zeigt erstmals seine Krallen, als willkürlich alle Nutzer gesperrt werden, die bei der vorherigen Frage mit „Nein“ gestimmt haben.

Nach einem Intermezzo, bei dem die Besucher zu Abstimmungspaaren gelost werden, teilt das „System“ das Publikum für die finale Runde in vier Fraktionen ein. Die Entscheidungsprozesse werden chaotisch, was nicht nur an der Größe der Gruppen, sondern vor allem auch an sprachlichen Verständigungsproblemen (die beiden Samstags-Vorstellungen waren auf Deutsch, nur am morgigen Sonntag werden die Fragen auf Englisch gestellt) und dem Zeitdruck der tickenden Uhr lag.

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Im sich ausbreitenden Chaos überträgt das Abstimmungs-„System“ die Macht deshalb zunächst einem gütigen Alleinherrscher, der bei allen vorausgegangenen Abstimmungen am häufigsten die Position der Mehrheit vertrat, und übernimmt dann schließlich im Stil von HAL aus „2001 – Odyssee im Weltall“ die Alleinherrschaft.

„Pendiente de voto“ ist durchaus unterhaltsam, mit fast 2,5 Stunden bei nur kurzen Pausen aber streckenweise ziemlich redundant. Der Erkenntniswert dieses zur Farce entarteten Abstimmungs-Marathons bleibt über die Warnung vor der Unberechenbarkeit direkt-demokratischer Abstimmungen (siehe auch Brexit) hinaus recht gering.

„Pendiente de voto“ war am 8. und 9. April zum FIND-Festival an der Schaubühne eingeladen.

Bilder: BLENDA

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