„Bemerkenswert“: das ist der Anspruch der Theatertreffen-Jury an die ausgewählten Stücke. Ein vager Begriff, über den sich Kritikerinnern und Kritiker sowie das Publikum jedes Jahr die Köpfe heiß reden. Hat es diese Inszenierung wirklich verdient, ins Haus der Festspiele eingeladen zu werden? Was ist an jener Arbeit so herausragend?
„Bemerkenswert“ im Sinn eines Unikats in der Theaterlandschaft, einer unverwechselbaren Handschrift sind auf jeden Fall „Die Räuber“ von Ulrich Rasche, mit denen das Münchner Residenztheater im September 2016 in die aktuelle Spielzeit startete.
Dass am selben Tag Thom Luz mit „Der Mensch erscheint im Holozän“ am Deutschen Theater Berlin Premiere hatte, ist ein lustiger Zufall: Weiter könnten zwei Theaterabende kaum von einander entfernt sein. Während Luz auf die ganz leisen Töne setzte, wirft Rasche eine gigantische Theatermaschine an, an der die Techniker sicher monatelang gearbeitet haben.
Bei Luz wird geflüstert und geraunt, das Ensemble tastet sich durch Nebelschwaden, bei Rasche wird deklamiert und gebrüllt. Die Räuberbande marschiert und stampft über die meterlangen Laufbänder, die wie eine Dampfwalze im Zentrum der Bühne des Residenztheaters stehen.
Mit Gurten mehrfach gesichert legen die Schauspieler an diesem Abend mehrere Kilometer im Gleichschritt zurück: mal in chorisch gesprochenen Massenszenen, mal in kammerspielartigen Duellen der Hauptfiguren. Dieses „titanische Beeindruckungs- und Überwältigungstheater“ (Süddeutsche Zeitung) ist von einem Klangteppich aus Paukenschlägen und Zirpgeräuschen unterlegt, der so wirkt, als wären „Die Einstürzenden Neubauten“ mit drei Jahrzehnten Verspätung auch in München angekommen, wie ein Zuschauer spöttelte.
Warum Rasche den Franz Moor mit der zierlich wirkenden Valery Tscheplanowa besetzte, erschließt sich nicht ganz. In dem testosterongeladenen Konzept des Abends wirkt sie wie ein Fremdkörper: buchstäblich an die Kette gelegt und am unerbittlich rollenden Laufband festgebunden kann sie sich nicht so freispielen, wie es Matthias Mosbach in Leander Haußmanns „Räuber“-Inszenierung am Berliner Ensemble im Sommer gelang.
Ansonsten ist der Abend in sich schlüssig: ein kraftstrotzender, kraftraubender Parforce-Marsch durch einen Klassiker aus der „Sturm und Drang“-Epoche, der aus den üblichen Inszenierungsansätzen heraussticht.
Bilder: Nr. 1 und 3 von Andreas Pohlmann, Nr. 2 und 4 von Thomas Dashuber
Update vom 7. Februar 2017: Die Inszenierung wurde zum Theatertreffen 2017 eingeladen