In einem Phantasie-Kauderwelsch, das diesmal nicht wie in seiner „Odyssee“ skandinavisch, sondern italienisch klingt, lässt Antú Romero Nunes seine beiden Hauptdarstellerinnen in Männer-Kleidern vor sich hin brabbeln. Mit den kleinen Slapstick-Nummern, die Stefanie Reinsperger als Max und Annika Meier als Moritz, aufs Parkett legen ist dies ein sehr typischer Einstieg, wie wir ihn bei Nunes schon mehrfach erlebt haben.
Sympathisch an diesem „Max und Moritz“-Abend, den die Ruhrfestspiele Recklinghausen gemeinsam mit dem Berliner Ensemble produzierten, ist das Spielerische, manchmal allerdings fast schon Kindsköpfige. Nunes reiht nette kleine Einfälle aneinander und hat erstklassige Darsteller*innen zur Verfügung. Sascha Nathan hat als Witwe Bolte und Frau des Schneiders Böck mehrere Travestie-Auftritte zum Schmunzeln. Constanze Becker gelingt gemeinsam mit Reinsperger/Meier eine schöne Parodie auf verquälte Schulaufführungen. Als Lehrer Lämpel dirigiert sie ein Stück im Stück, durch das sich Max und Moritz mit schiefen Tönen dilettieren. Auch musikalisch ist der Abend eine Wundertüte von Punk bis Rap. Etwas zu lang ist allerdings Tilo Nests Monolog über die Kunstfreiheit geraten, der sich über den Ton in Hauptseminaren literaturwissenschaftlicher Fakultäten lustig macht.
Der nur 100 Minuten kurze Abend wird skizzenhafter, die letzten Streiche so dass nur noch kurz angerissen, so dass „Max und Moritz“ wie eine von Wilhelm Busch inspirierte Nummernrevue wirkt. Auch das Publikum bekommt seinen Part: die Maikäfer, die Max und Moritz im Bett von Onkel Fritz verstecken, werden von den Taschenlampen der Handys simuliert, die die Zuschauer allerdings bei der Berlin-Premiere nur zögerlich zückten.
Fazit: „Max und Moritz“ ist amüsante Festival-Unterhaltung und ein hübscher Ausklang vor der Sommerpause. Trotz aller Regie-Späße und der Spielfreude des Starensembles bleibt der Abend aber zu „bieder“ und „brav“. Die beiden Lieblings-Epitheta des Lehrers Lämpel, die sich Constanze Becker auf der Zunge zergehen lässt, passen auch auf diesen Abend. Wie nach der Premiere in Recklinghausen von mehreren Rezensent*innen kritisiert, lässt Nunes seine „Max und Moritz“-Adaption sanft und eine Spur zu rührselig ausklingen. Die Sprengkraft, die das Gemetzel der auf ihre biedermeierliche Anständigkeit so stolzen Bürger hat, wird von Nunes verschenkt.
„Max und Moritz“ ist zwar solide und zum Schmunzeln, bleibt aber deutlich hinter seinen besten Arbeiten wie „Richard III.“ und „Orpheus“ zurück, die wesentlich facettenreicher waren und mehr als nur schöne Unterhaltung boten.
Bilder: © JR Berliner Ensemble