Die Jungfrau von Orleans

Eine schöne Tradition der Internationalen Schillertage Mannheim ist, dass sie das Festival mit einem prominenten Regie-Gast eröffnen, der ein Schiller-Drama inszeniert. Nach Claudia Bauer und ihrer „Maria Stuart“ wurde für diese Hybrid-Ausgabe, die stark auf Streams und Open Air setzt, hat Christian Holtzhauer eine sehr spannende junge Regisseurin engagiert. Ewelina Marciniak hat sich in ihrer polnischen Heimat mit Inszenierungen einen Namen gemacht, die die nationalkonservative PiS-Regierung provozierten, und in Freiburg mit ihrem fulminanten Deutschland-Debüt „Der Sommernachtstraum“ begeistert. Auf dem Radar der Theater-Fachleute ist sie spätestens seit ihrer „Boxer“-Adaption in der Thalia Gaußstraße, die 2020 mit einem „FAUST“ des Deutschen Bühnenvereins ausgezeichnet wurde.

Als Stück wurde ihr „Die Jungfrau von Orleans“ anvertraut, doch den knapp zwei Stunden ist überdeutlich anzumerken, dass die polnische Regisseurin mit dem alten, nur noch äußerst selten gespielten Schiller-Stück, mit seinem Pathos und seinem Frauenbild herzlich wenig anfangen. Joanna Bednarczyk hat den Schiller bearbeitet, Olaf Kühl dies wiederum übersetzt, heraus kam ein ödes Produkt, nichts Halbes und nichts Ganzes: ein paar Schiller-Verse blitzen noch durch, ansonsten erleben wir die Figuren als banale Karikaturen, die sich durch Fetzen des Originals hangeln und sich in sehr flapsiger, heutiger Sprache bekriegen.

Annemarie Brüntjen als Johanna von Orleans

Schon zu oft haben Regisseur*innen versucht, sich in die Dekonstruktion eines Stoffs zu retten, mit dem sie nichts anfangen können. Das Ergebnis ist meist eine öde Qual wie das Publikum und zu oft gleicht sich auch das Ergebnis dieses Konzept-Theaters nach Schema F. Sehr erwartbar ist, dass Annemarie Brüntjen schließlich ganz aus der Johanna-Rolle heraustritt und in einer feministischen Lecture Performance über ihr Verhältnis zur Rolle nachdenkt. Das ist noch der interessanteste Teil eines enttäuschenden, vom Nationaltheater Mannheim und Nachtkritik gemeinsam live gestreamten Festival-Eröffnungsabends.

Evelina Marciniak hat eine Einladung zum Theatertreffen schon lange verdient. Dass sie ausgerechnet mit dieser schwachen Inszenierung erstmals für die Festival-Ausgabe im Mai 2022 ausgewählt wurde, hat einen schalen Beigeschmack. Kurz danach wird die Inszenierung auch beim „Radikal jung“-Festival am Münchner Volkstheater gastieren.

Bilder: Christian Kleiner

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