Joy of Life

Mit sarkastischem Humor nennt Ersan Mondtag seine Choreographie „Joy of Life“. Von Lebensfreude ist in diesen 90 Minuten jedoch wenig zu spüren, im Gegenteil: „Joy of Life“ ist ein Trip durch Albtraumwelten.

An zwei Motive früherer Arbeiten knüpft Mondtag an: Kindheitstraumata und Mobbing standen schon im Zentrum Mondtags wohl bester Inszenierung, der bildstarken Dortmunder Geisterbahn-Fahrt „Das Internat“. Joy Philipp Reinhardt, der sich damals als Opfer am Boden krümmte, ist auch Teil dieser Performance, die das HAU gemeinsam mit Kampnagel, Mousonturm und dem Theater Freiburg produzierte.

Ein zweiter zentraler Strang ist der Auftritt von Kate Strong als gnadenlose Ballett-Lehrerin, die den Rest des Ensembles drillt und damit die während des Lockdowns heftig geführte Debatte um Arbeitsbedingungen von Künstlern aufgreift. Diese Passagen knüpfen auch unmittelbar an Ersan Mondtags „It´s going to get worse“ am Gorki Theater an, wo Kate Strong vor wenigen Wochen von der Off-Stimme von Melanie Jamie Wolff gedemütigt wurde, sich an ihre Ausbildung an der Londoner Royal Ballet School erinnerte und in eine Rache-Phantasie an ihrer Mutter hineinsteigerte.

Trotz dieser beiden wiederkehrenden Motive wirkt „Joy of Life“ zu beliebig. Der Abend versucht, von Klimawandel über Flüchtlingselend bis toxischen Arbeitsbedingungen am Stadttheater den ganz großen Krisen-Bogen zu schlagen. Auch tänzerisch wirkt dieser Ausflug des Sprechtheater-Regisseurs Mondtag in ein neues Feld nicht überzeugend: näher an der Performance als am Tanz ist das Gebotene, obwohl auch bekannte Namen aus der Berliner Szene wie Rob Fordeyn aus der Dorky Park-Compagnie von Constanza Macras dabei sind. Wenige starke Bilder bleiben in Erinnerung, zum Beispiel als Rob Fordeyn vom Rest des Ensembles in Ku-Klux-Klan-Kapuzen (Kostüme: Teresa Vergho) bedrohlich umkreist wird und Carl Orffs „Carmina burana“ erschallt.

Dass „Joy of Life“ etwas zu beliebig und unfertig wirkt, liegt sicher auch am enormen Produktionsdruck, dem sich Ersan Mondtag aussetzte. Der Juni 2021 war ein Ersan Mondtag-Festspiel-Monat: „Joy of Life“ war die die dritte Premiere innerhalb von zwei Wochen: außer „It´s going to get worse“ am Gorki, das bisher nur einmal gezeigt wurde und im Herbst wiederaufgenommen werden soll, brachte er auch eine Rheingold-Überschreibung am Berliner Ensemble heraus. Die Hälfte der im Juni angesetzten Termine musste jedoch wegen Erkrankungen im Ensemble kurzfristig abgesagt werden.

Bilder: Armin Smailovic

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