Betont undramatisch und in verwaschenen Herbstfarben drehte der Afroamerikaner Shaka King seinen Film „Judas and the Black Messiah“. Er ist ein doppeltes Zeitdokument: Zum einen zeichnet das Biopic nach, wie Fred Hampton, der lokale Anführer der Black Panther Party in Chicago/Illinois Ende der 60er Jahre versucht, sich mit anderen Gruppen zu vernetzen, dabei auf das Radar des FBI-Chefs Edgar J. Hoover (Kurzauftritte von Martin Sheen) gerät, bespitzelt, verraten und schließlich ermordet wird. Seine Witwe und sein Sohn, der wenige Wochen nach dem Tod von Fred Hamton geboren wurde, engagieren sich bis heute weiter in der Bürgerrechtsbewegung und werden im Abspann als Berater für dieses Biopic genannt.
Zum anderen spiegelt sich in „Judas and the Black Messiah“ aber auch der Zeitgeist des Oscar-Jahrgangs 2021. Die großen Blockbuster im Corona-Jahr fielen aus oder wurden verschoben. Parallel richtete sich nach den „Oscar All White“-Beschwerden und den weltweiten „Black Lives Matter“-Protesten die Aufmerksamkeit der Filmbranche auf die Unterdrückung und Diskriminierung von Schwarzen und anderen Minderheiten. Kaum jemals gab es einen Oscar-Jahrgang, in dem so viele schwarze Sichtweisen zu sehen und Stimmen zu hören waren. Gleich sechs Nominierungen gab es für „Judah and the Black Messiah“, davon konnte der Film immerhin zwei Trophäen ergattern: den Oscar für Daniel Kaluuya, der nach seinem Durchbruch mit „Get out“ (2017) im vergangenen Jahr auch schon in „Queen & Slim“, einem weiteren Film über Polizeigewalt gegen Schwarze zu sehen war. Kaluuya gewann für die Verkörperung des Black Panther-Aktivisten Fred Hampton den Academy Award als bester Nebendarsteller. Die zweite Trophäe gab es für den Song „Fight for you“ von H.E.R. und Dernst Emile II.
Ebenfalls für einen Oscar als bester Nebendarsteller war der rappende Schauspieler Keith Stanfield nominiert. Er spielt William O´Neill, einen schwarzen Kriminellen, der vom FBI vor die Wahl gestellt wird: entweder er lässt sich als Undercover-Informant in die Black Panther-Bewegung einschleusen oder er hat eine mehrjährige Haftstrafe zu erwarten. Die Gewissensbisse des „Judas“ sind ein roter Faden dieses knapp zweistündigen Films. Zu Beginn und am Ende sehen wir Archivaufnahmen des realen Informanten O´Neill, der in einer TV-Doku in den USA 1989 über diesen Verrat sprach und sich nach der Erstausstrahlung des Interviews das Leben nahm. Aus seiner Perspektive wird „Judas and the Black Messiah“ erzählt.
Doch der Film schildert die dramatischen Verwicklungen betont beiläufig. Er ist vor allem ein sepiafarbenes Dokument der Radikalisierung schwarzer Bürgerrechtler nach den Morden an Martin Luther King und Malcom X und schildert das Milieu, in dem sie sich bewegten.
In Sundance hatte „Judas and the Black Messiah“ im Januar 2021 Premiere und startete mit dem Rückenwind der beiden Oscars parallel zu „Nomadland“ am 1. Juli 2021 gleich zur Wiedereröffnung nach dem Lockdown in den deutschen Kinos.
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