Ein unerwartetes Revival erlebte die viel geschmähte Operette im vergangenen Jahrzehnt in Berlin. An der Komischen Oper grub Intendant Barrie Kosky einige Raritäten wie „Roxy und ihr Wunderteam“ aus und feierte mit Dagmar Manzel in „Die Perlen der Cleopatra“ Triumphe.
Auch ein paar Kilometer weiter westlich enwickelte sich im vergangenen Herbst am Kreuzberger BKA-Theater die „Operette für zwei schwule Tenöre“ zum Publikums-Hit. Im Januar 2022 wird sie nun nach einigen Umbesetzungen wiederaufgenommen. Johannes Kram, der als Autor des Nollendorfblogs bekannt wurde, und Florian Ludewig, treuer Klavierbegleiter und Sidekick des unvergessenen Malediva-Duos, bieten dem Publikum in diesen harten Corona-Zeiten die gewünschte Dosis Operetten-Seligkeit mit zuckersüßen Melodien, an denen vor allem die Fans dieser Musikgattung Freude haben dürften.
Im Libretto lassen sie zwei Stereotype aufeinander treffen: Dorfkind Jan (Felix Heller), den es nach vier Jahren Beziehung in das Berliner Großstadtleben zieht, und Tobi (Christian Miebach statt Ricardo Frenzel Baudisch aus der Premieren-Besetzung), der aus Berlin aufs Land flüchtete und mit verträumten Augen die Idylle genießt, dabei aber seinen Partner aus dem Blick verliert.
Wohl niemand brachte Beziehungsknatsch, Ängste und Sehnsüchte in so bissigen, mal beschwingten, mal nachdenklichen, stets berührenden Melodien und Texten auf den Punkt wie „Malediva“, die sich aus gesundheitlichen Gründen leider von der Bühne verabschieden mussten. Diese hohe Messlatte erreicht auch das Projekt ihres Ex-Pianisten nicht.
Die „Operette für zwei schwule Tenöre“ bietet einen unterhaltsamen Rückblick auf das erste Kennenlernen, die Entfremdung, den Neubeginn an zwei verschiedenen Orten und ein mögliches, Genre-typisches Happy-end. Der Plot wird abwechselnd aus den jeweiligen Perspektiven erzählt und öfter auch vom dreiköpfigen Background-Tänzer-Trio mit launigen Zwischenspielen kommentiert. Nach einigen Seitenhieben auf Tagesschau-Anchorman Jens Riewa, der Gerüchte über seine sexuelle Orientierung stets zurückweist, biegt der Abend mit „Ein Liebeslied von Mann zu Mann“ in den finalen dritten Akt ein. Dieses sehnsuchtsvolle Plädoyer für Vorbilder entspannter, glücklicher Beziehungen hat die größten Ohrwurmqualitäten des Abends.
Bild: Jörn Hartmann