Dass ihre skurrill-ironische Radio-Revue über Fontanes „Effi Briest“ zum Theatertreffen eingeladen und ein solcher Hit werden würde, hat das Regieduo Barbara Bürk und Clemens Sienknecht vor der Premiere von „Effi Briest – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“ im Malersaal des Schauspielhauses Hamburg im September 2015 wohl selbst nicht geahnt.
Dem Überraschungs-Coup folgten mehrere Fortsetzungen auf der großen Bühne, die mal um „Anna Karenina“, mal um den „Nibelungen“-Mythos kreisten, nun knöpfte sich das eingespielte Kernteam, das diese Liederabende seit Jahren stemmt, die fiktive Figur Günther Gründgens vor. Der Fast-Namensvetter der Hamburger Theaterlegende Gustav Gründgens sei ein wahrer Tausendsassa gewesen, habe Musik, Literatur und Theater mit Meilensteinen bereichert, sei seit den 1970er Jahren aber völlig in Vergessenheit geraten, wollen uns die schrulligen Figuren weismachen, die von Anke Grot in Kostüme voller Retro-Charme gesteckt, die dem Publikum schon von Ferne die Lebensuntüchtigkeit dieser Truppe entgegenschreien.
Als Günther Gründgens-Fanclub, der sich regelmäßig in der Gorch Fock-Halle trifft, die an eine triste Schulaula erinnert, stellt uns Clemens Sienknecht seine Mitstreiter*innen vor. Männer sind deutlich in der Überzahl, was aber auch daran liegt, dass Sandra Gerlich bei der zweiten Vorstellung der Gründgens-Show krankheitsbedingt kurzfristig ausfiel.
Als Musikkabarett hat der zweistündige Abend durchaus seinen Reiz. Das Ensemble jongliert mit Stilen und Genres, parodiert Hits, jagt von Ohrwurm zu Ohrwurm. „Reich mir die Hand mein Leben“, „Angie“, „Je t´aime“, kaum ein bekannter Song ist davor sicher, in dieser Revue aufgespießt werden. Oft ist der Gesang der Gründgens-Fans bewusst dilettantisch, aber Angelika Richter performt die „Small Town Boy“-Ballade und erreicht immerhin eine 7-8 auf der Mehmet Ateşçi-Skala.
Zwischen den einzelnen Songs dieses Liederabends hängt der Abend aber zu oft dramaturgisch durch: kleine Sketche werden aneinander gereiht, zünden jedoch nur selten, da der Running gag der „Günther“-Wortspiele zu Tode geritten wird. In zu vielen Variationen versucht das Team, die eine Grundidee wie eine Zitrone auszupressen. Von „Peer Günther“ bis „Günthersloh“ wird kaum ein Kalauer ausgelassen, mit dem die Gründgens-Combo das Publikum traktiert.
Das Dilemma dieser Erfolgsreihe: Als Musikkabarett funktionierte die Reihe wohl selten so gut wie diesmal. Das Spiel mit den Genres macht Spaß und streckenweise ist es musikalisch sogar ein Genuss, wie Falk Schreiber in seiner Nachtkritik schrieb. Aber das Format stößt auch langsam an seine Grenzen. Die Ideen scheinen ausgereizt. Zu oft ist der Abend nur um Skurrilität bemüht, aber nicht witzig, wenn er sich an der Kunstfigur Günther Gründgens abarbeitet.
Bilder: © Matthias Horn, 2022