interfilm 2022

Wie gewohnt sehr gut kuratiert bot das interfilm-Festival im Herbst 2022 wieder einen Überblick über das aktuelle Angebot internationaler Short Films, die häufig schon auf großen Festivals liefen.

Aus dem breiten Angebot habe ich vier Perlen ausgewählt, die ich vorstellen möchte: der Hauptpreisträger im Internationalen Wettbewerb, „Warsha“ aus dem Libanon, überzeugt durch seine visuelle Kraft und atemberaubende Kamerafahrten. Der Protagonist von Dania Bdeirs bereits im Januar 2022 in Sundance prämiertem Kurzfilm ist der syrische Flüchtling Mohammed (Kansah), der sich freiwillig für die lebensgefährliche Aufgabe meldet, den gewaltigen Kran zu steuern, den alle nur das „Biest“ nennen. Dort oben angekommen legt er einen schillernden Auftritt im roten Kleid hin, auf den auch David Bowie neidisch werden könnte. Dieser Film, der Kritik an der Ausbeutung von Arbeitsmigranten mit queerem Empowerment verbindet, ist derzeit anlässlich seiner César-Nominierung auch unter dem Titel „Hoch oben“ in der arte-Mediathek zu sehen.

Wie mutig und aufregend das Kino im Iran ist, konnte man in den vergangenen Wochen auch bei der neuen Ausgabe des Festivals „Around the World in 14 films“ sehen, wo mit „Leila´s Brothers„, „No Bears“ und „Imagine“ gleich drei iranische Produktionen zu sehen waren. Auch bei interfilm zählten die Kurzdramen, die von der Repression durch das Mullah-Regime erzählen, zu den spannendsten Arbeiten. Hauptfigur von Mehrdad Hassanis „Tatbiq/Adjustment“ ist der 9jährige Shahrokh, der sich gerne die Nägel lackiert und lieber neben den Mädchen sitzt. Die Familie schämt sich für ihn, versucht alles, ihn vor der Öffentlichkeit weitgehend zu verstecken, die Mitschüler schicken ihn durch eine schmerzhaft gefilmte Mobbing-Hölle. Passend zur Frauen-Revolution und den Protesten gegen den Hijab-Zwang schildert Alireza Kazemipour in „Split Ends„: auf einer Wache der Sittenpolizei, die als Zugeständnis des Regimes vor kurzem aufgelöst wurde, müssen sich eine Frau (Marjan Alizadeh) und ein Mann (Mehrhan Mirmiri) wegen Überwachungskamera-Aufnahmen verantworten. Beide waren in privaten PKWs durch Teheran unterwegs. Sie trug die milimeterkurzen Haare offen ohne Hijab, er wurde mit seiner langen Mähne für eine Frau gehalten und gezwungen, sich die Haare künftig abzuschneiden. Beide widersetzen sich, klauen das Auto des Revier-Chefs und provozieren die Sittenwächter mit einer Hijab-freien Ehrenrunde durch die Stadt.

Mit dem Schmutz in Berlin setzt sich Carlo Oppermann in seinem satirischen Kurzfilm „The Art of Authenticity“ auseinander, der als zweitbester deutscher Film im nationalen interfilm-Wettbewerb ausgezeichnet wurde. Randolph Herbst spielt den Beamten einer Behörde, die dafür sorgt, dass Berlin so roughb bleibt: sehr genau arrangiert er Kotze und Pisse, verleiht jedem Bezirk seine eigene Duftnote, beschmiert Wände und bringt die BSR-Mülleimer zum Überlaufen. Ohne seinen Einsatz wäre Berlin längst picobello, erzählt er stolz. Aber er fühlt sich einfach zu wenig gesehen, lamentiert er in den vergnüglichen sieben Minuten.

Bild aus Washa: interfilm Festival

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert