Lange Zeit vergriffen war der utopische Underground-Roman „The faggots and their friends between revolutions“ von Larry Mitchell aus dem Jahr 1977. Darin wird ein paradiesischer Zustand queerer Menschen beschrieben, der vom Patriarchat und Kapitalismus niedergewalzt wird. In einem FLINTA-Bündnis, in dem Lesben und Drag-Queens eine wichtige Rolle spielen, erobern sich die Queers ihre Welt zurück und reklamieren auch das abwertende Wort „Faggots“ als positive Selbstbeschreibung für sich.
Ted Huffman (Regie) und Philip Venables (Musik), die als Duo seit Jahren an internationalen Opernhäusern zu Gast sind, allerdings in Deutschland noch nicht so bekannt sind und zuletzt in Erfurt und Hannover arbeiteten, gruben den Text aus und machten daraus in Kooperation mehrerer großer Festivals eine 100minütge queere Empowerment-Musiktheater-Produktion.
In Manchester und Bregenz lief das Stück bereits im vergangenen Sommer, ein Jahr später ist es am Eröffnungswochenende der koproduzierenden Ruhrtriennale angekommen. Ein kleiner Raum der gewaltigen Bochumer Jahrhunderthalle wurde dafür abgezirkelt. Auffällig ist zunächst der Minimalismus der tourenden Produktion: der queere Cast spielt und singt auf fast leerer Bühne.
In den Mittelpunkt schiebt sich immer wieder Kit Green, nonbinäre Performer*in und zuständig für Erklärtexte und Überleitungen. Green dirigiert auch die längere Mitsing-Nummer, die etwa in der Mitte des Abends ansteht. Stilistisch bleibt der Abend oft sehr nah an der Oper, bedient sich aber von Barock bis Techno munter bei diversen Epochen und Musikrichtungen. Der Wechsel aus nachdenklich-melancholischen Passagen der Trauer über die Ausgrenzung durch das Patriarchat und den kämpferischen Songs ist Strukturprinzip des Musiktheater-Abends. Lesenswert zu wiederkehrenden Tonfolgen und Leitmotiven ist die ursprüngliche Nachtkritik vom Juli 2023 aus Bregenz.
Berichtete die Nachtkritik 2.0 noch von einem verhaltenen Applaus nach der deutschen Erstaufführung am vergangenen Wochenende, so gab es nach der gestrigen Aufführung langen, freundlichen Applaus und sogar einige standing ovations für das sympathische Empowerment-Projekt „The Faggots and Their Friends Between Revolutions“.
Bilder: Tristram Kenton