In der letzten Ausgabe der Berlinale-Sektion Encounters präsentierte die österreichische Filmemacherin Ruth Beckermann eine Langzeitbeobachtung aus ihrer Heimatstadt. Drei Jahre lang waren sie und ihr Kameramann Johannes Hammel in der Klasse von Ilkay Idiskut dabei.
Ohne jeden wertenden Kommentar begleitet die Schnittfassung die Grundschulkinder aus dem 10. Wiener Bezirk Favoriten von der 2. bis zur 4. Klasse. In dieser Jahrgangsstufe wird ausgesiebt. Den Übertritt ins Gymnasium schaffen nur die wenigsten Schülerinnen und Schüler dieses Films. Sie alle eint, dass sie einen Migrationshintergrund und schlechte Startchancen haben. Bei einem Klassenausflug in den Stephansdom erfahren wir, niemand von ihnen ist römisch-katholisch, viele Eltern sprechen so schlecht oder überhaupt nicht Deutsch, dass eine Verständigung mit der Lehrerin nur mit dolmetschenden Geschwistern möglich ist.
Die türkischstämmige Wienerin Idiskut ist eine Lehrerin, wie man sie sich nur wünschen kann: engagiert und empathisch. Sie vermittelt den Kindern in langen Diskussionen die entscheidenden Werte, schlichtet Streit, stellt patriarchale Strukturen des Elternhauses subtil in Frage.
Im Zentrum stehen stets die oft in Großaufnahme gefilmten Kinder. Die Botschaft ihrer auf zwei Stunden komprimierten Feldstudie fasste Regisseurin Beckermann im taz-Interview so zusammen:
Ilkay ist schon eine Ausnahme, würde ich sagen. Ich wollte an einem positiven Beispiel zeigen, woran es strukturell mangelt.
Am 19. September 2024 startete „Favoriten“ in den deutschen Kinos.
Bilder: Grandfilm/Ruth Beckermann Filmproduktion