Das Barock-Oratorium „Messias“ von Georg Friedrich Händel ist natürlich ein Zuschauermagnet, spätestens zum „Hallelujah“ gibt es den verdienten Szenen-Applaus für den mehrere Hundert Personen starken Chor, der sich aus den Profis von der Komischen Oper Berlin und mehreren Laien-Chören unter der Leitung von George Petrou zusammensetzt.
Für diesen Saisoneröffnungs-Blockbuster lud die KOB nicht in ihr Baustellen-Interim im Schillertheater, sondern in den Hangar 4 des stillgelegten Flughafens Tempelhof. 1.800 Zuschauer fasst die steil ansteigende Arena.
Dass der knapp dreistündige Abend trotz aller musikalischen Qualitäten dennoch nicht überzeugt, liegt am Inszenierungs-Konzept des italienischen Regisseurs Damiano Michieletto: er schließt das biblische Oratorium vom Heilsbringer mit dem Leidensweg der US-Amerikanerin Brittany Maynard kurz, bei der mit nur 29 Jahren ein Hirntumor diagnostiziert wurde. Sie stellt sich die Frage, warum es ausgerechnet sie trifft, nutzt die letzten Monate ihres Lebens intensiv und zieht schließlich von Kalifornien nach Oregon um, wo es ihr die Rechtslage im Jahr 2014 erlaubte, ihrem Dahinsiechen ein selbstbestimmtes Ende zu setzen.
Wirkungsvoll sind die Massenszenen choreographiert, die Chor-Armada marschiert zum Beispiel mit den Protestplakaten auf, mit denen die evangelikale Rechte in den USA im Fall Maynard protestierte. In den leisen Tönen scheitert die Inszenierung allerdings. Die Biographie von der krebskranken Frau (gespielt von Anouk Elias), die mit der Diagnose hadert und sich in ihr Schicksal fügt, lässt sich nur um den Preis sehr fragwürdiger Momente mit der biblischen Heilserzählung verzahnen. Auf ein besonders drastisches Beispiel wies André Mumot im Fazit-Gespräch hin: auf die niederschmetternde Diagnose folgt der Tochter Zion-Jubel der Chöre.
„Messias“ hatte am 21. September 2024 im Tempelhofer Hangar Premiere und ist dort noch bis 5. Oktober 2024 zu sehen.
Bilder: Jan Windszus Photography