Dass sie sich beim Publikum anbiedere, kann man der georgischen Regisseurin Dea Kulumbegaschwili wahrlich nicht vorwerfen. Schon das Thema ihres neuen Films verspricht alles andere als entspanntes Popcorn-Kino. Sie erzählt von der Ärztin Nina (Ia Suchitaschwili), die in der georgischen Provinz illegale Abtreibungen durchführt. Erst recht verstört die filmische Umsetzung: die medizinischen Eingriffe werden in aller Drastik und Ausführlichkeit gezeigt. Hinzu kommen die strenge Formsprache mit langen, statistischen Einstellungen ohne Schnitt, oft ist bei Dialogen nur eine Stimme aus dem Off zu hören, während die Kamera den Zuhörer fixiert.
Was wie klischeehaftes Slow Cinema aus dem Kopfweh-Kino-Albtraum-Lehrbuch klingt, hat dennoch seinen Reiz. Kulumbegaschwili überzeugte mit ihrem Debüt „Beginning“, der im Corona-Jahr 2020 in Cannes nicht gezeigt werden konnte, und beweist auch mit ihrem zweiten Spielfilm, dass sie eine talentierte Regisseurin und Drehbuchautorin mit unverwechselbarer Handschrift und eigensinnigem Kunstwillen ist.
Bei der Premiere in Venedig bekam „April“ einen Spezialpreis der Jury, es folgten Einladungen zu den wichtigen Herbst-Festivals in Toronto und San Sebastian sowie in die Metropolen London und New York. Wie stark Kulumbegaschwilis Formsprache polarisiert, zeigte sich auch bei der Pressevorführung vor der Deutschlandpremiere von „April“ beim Filmfest Hamburg: aus Venedig wurde von Massenabwanderungen berichtet und auch heute verließen viele vorzeitig den Saal.
Bild: Filmfest Hamburg