Mit dieser Wendung in der Karriere von Joshua Oppenheimer war nicht zu rechnen: der texanische Regisseur wurde mit der Doku „The Act of Killing“ (Berlinale Publikumspreis 2013), einem Reeanctment eines Massakers der indonesischen Militärdiktatur in den 1960er Jahren bekannt. Kurz danach folgte „The Look of Silence“ zum selben Thema, diesmal aus der Perspektive der Opfer.

Erst ein Jahrzehnt später meldete sich Oppenheimer, mittlerweile schon 50 Jahre alt, mit einem völlig anderen Genre zurück: „The End“, das im Spätsommer beim Telluride Festival Premiere hatte, ist ein überlanges Film-Musical, das mit Stars gespickt ist, und in einer dystopischen Umgebung spielt.

In einem visuell eindrucksvoll in Szene gesetzten Tunnelsystem haben sich Vater (Michael Shannon), Mutter (Tilda Swinton) und Sohn (George MacKay) seit 25 Jahren verschanzt, nachdem eine Umweltkatastrophe die Erdoberfläche unbewohnbar gemacht hat. Mit einigen engen Vertrauten, die sie sich als Dienstspersonal halten, schwelgen sie in bürgerlichem Luxus, parlieren beim Wein über Kunst, pflegen Klaviermusik und trichtern dem Filius ihre ganz eigene Sicht auf die Welt ein. Einzige Beschäftigung der Familie ist, dass Vater und Sohn gemeinsam an den Memoiren des ehemaligen Industrie-Managers schreiben.

Herrlich schräg singen die Schauspiel-Stars einige Musical-Wohlfühlnummern, in denen sie genre-typisch das Bild einer Idylle und einer leuchtenden Zukunft malen. Dies wird konterkariert durch die nach und nach auftretenden Traumata, Verletzungen und Leichen im Keller, die durch Nachfragen des Sohns und vor allem durch das Auftauchen eines Flüchtlingsmädchens (Moses Ingram) getriggert werden.

Der Plot weist über die fast 2,5 Stunden Laufzeit ein paar Längen auf, dennoch zählt „The End“ zu den visuell und stilistisch interessantesten Filmen des Kinojahres. Ungewöhnlich stark hat der Film die Kritik polarisiert. Die MUBI-Produktion tourte in den vergangenen Monaten über diverse Festivals von Busan über Chicago, Hamburg, London, San Sebastián, Toronto und Wien bis Zürich. Gestern lief das dystopische Musical zum Abschluss des Around the World in 14 films Festivals. Der Kinostart steht noch nicht fest.

Bild: Felix Dickinson courtesy NEON

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