Der Brutalist

Trauma an Trauma reihen Regisseur Brady Corbet, seine Co-Drehbuchautorin und Lebensgefährtin Mona Fastvold und Hauptdarsteller Adrien Brody. Mit dem Holocaust beginnt der Film, eine Vergewaltigung der  fiktiven Hauptfigur (László Tóth) durch einen toxischen Oligarchen (Guy Pearce als Harrison Lee Van Buren), Heroinsucht, Antisemitismus und in der zweiten Hälfte auch noch der zerschundene Körper einer KZ-Überlebenden (Felicity Jones als Erzsébet Tóth) sind markante Wegmarken dieses dreieinhalbstündigen Epos.

Nicht nur mit dieser Themenwahl, sondern auch stilistisch mit einer 15minütigen Unterbrechung wie in der des Monumental- und Sandalenfilm-Kinos der 1950er und 1960er sowie mit der VistaVision-Technik macht Corbet klar, dass er großes Überwältigungskino aus einer längst vergangenen Hollywood-Ära bieten will. Neben den tanzenden Kamera-Bildern von Lol Crawley braucht es dazu vor allem auch einen bis zur Karikatur wummernden Soundtrack von Daniel Blumberg. „Ein angestrengt bedrohliches Wummern kündet vom kommenden Unheil, damit auch niemand verpasst, wie tiefgehend das alles ist“, machte sich Patrick Holzapfel in der Perlentaucher-Kolumne über diese Manieriertheit lustig.

Die größte Schwäche dieses Films ist, dass all die düsteren Themen nur gestreift werden. Eins nach dem anderen wird angerissen und abgehakt, „Der Brutalist“ bleibt aber stets an der Oberfläche, wie ihm zum Beispiel auch Daniel Kothenschulte in der FAZ vorwarf. Sehr verhalten wurde der Film zum Kinostart in den deutschen Feuilletons aufgenommen.

Wie kommt es, dass „Der Brutalist“ so zum Hype wurde? Bei seiner dritten Einladung nach Venedig gewann Corbet im September 2024 neben dem Silbernen Löwen für die beste Regie und dem FIPRESCI-Kritikerpreis noch weitere Preise. Zum Jahresauftakt räumte er drei Golden Globes ab (bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller) wurde in US-Medien als Meisterwerk gefeiert und geht mit 10 Nominierungen als einer der Favoriten ins Oscar-Rennen.

Vermutlich liegt dies an der Retro-Sehnsucht in diesen aufgewühlten Zeiten nach einem Epos alter Schule. Außerdem wohl auch daran, „dass jede Oscar-Saison ihr tränenreiches Überdrama braucht – und ein besseres nicht zur Verfügung stand“, wie David Steinitz in der SZ lästert.

Brady Corbet, der seine Karriere als Schauspieler begann, hat es mit „The Brutalist“ und vergleichsweise kleinem Budget ins Hollywood-Rampenlicht geschafft und auch Adrien Brody ist nach langer Talsohle wieder auf einem ähnlichen Karriere- und Aufmerksamkeitspeak wie 2002/03, als er in Roman Polanskis „Der Pianist“ schon einmal ein traumatisiertes Holocaust-Opfer verkörperte. Der überlange Film hinterlässt jedoch vor allem ein Gefühl der Leere und Andreas Kilbs FAZ-Fazit, dass „Monumentalität und Qualität“ nicht dasselbe sind.

„Der Brutalist“ startete am 30. Januar 2025 in den deutschen Kinos.

Bei der Oscar-Gala wurde der Hype um „The Brutalist“ wieder auf Normalmaß zurechtgestutzt: nach 10 Nominierungen reichte es für drei Trophäen (Adrien Brody als bester Hauptdarsteller, die wummernde Filmmusik von Daniel Blumberg und die beste Kamera von Lol Crawley).

Bild: Universal Pictures International Germany

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