Between the River and the Sea

Diese Tonlage und diese Handschrift sind regelmäßigen Besuchern des Gorki-Theaters bestens vertraut: das lustvolle Spielen mit Identitätsverknäuelungen, das Durcheinanderwirbeln und Auseinandernehmen von Stereotypen, die ironische Lässigkeit, mit der Autobiographisches und Autofiktionales gemixt werden, der provozierende Titel, der auf eine Hamas-Parole anspielt. Das ist typisch Yael Ronen.

Doch die Meisterin der Polit-Komödie hat das Gorki nach vielen Erfolgen verlassen, seit der vergangenen Spielzeit arbeitet sie wieder an der Schaubühne und versuchte, den Schmerz über das Massaker vom 7. Oktober im Musical „Bucket List“ zu verarbeiten. Präsent ist sie an diesem eine Stunde kurzen Abend dennoch und das in mehrfacher Hinsicht: Natürlich schimmern ihr Stil und ihre Handschrift durch. Sie sitzt aber auch in Persona in der letzten Reihe Mitte, wo sie von Shermin Langhoff herzlich begrüßt wird, bevor die Intendantin weiter mit dem Abenddienst durch den kleinen Raum wuselt, um weitere Lücken zu finden, in denen noch mehr Interessenten ihren Platz finden könnten. Mit ihrem vollen Namen taucht Ronen darüber hinaus ganz explizit im Solo von Yusef Sweid auf, das er mit Isabella Sedlak entwickelt hat. Der palästinensisch-israelische Schauspieler lernte Ronen bei einer Theater-Produktion kennen, zog mit ihr nach Berlin und war mit ihr verheiratet. Auch ihr gemeinsamer Sohn ist mit dabei: als wichtiger Referenzpunkt in Sweids-Solo, aber auch im Studio-Publikum.

Im Stand-up-Comedy-Stil wirbelt Sweid munter durch den kurzweiligen Abend: gleich zum Einstieg zeigt er die diversen Protestplakate, mit denen er seit Jahren auf Gastspielen konfrontiert wurde. Schon seit seiner Kindheit ist Sweid als arabischer Israeli den Platz zwischen den Stühlen gewohnt. Als „Verräter“ wurde er immer wieder beschimpft. Entgegen aller Befürchtungen des Betriebsbüros, die angesichts einschlägiger Erfahrungen und des provokativen Titels nahelagen, blieb es an diesem Premierenabend im Studio des Gorki-Theaters ruhig: kein Krawalll, keine Zwischenrufe.

Stattdessen ein nachdenklich-heiterer Monolog eines Mannes, der Zeit seines Lebens immer wieder aufgefordert wurde und wird, in diesem seit Jahrzehnten andauernden Nahost-Konflikt Stellung zu beziehen. Dafür steht vor allem die Stimme seines Vaters, der längst im kanadischen Exil lebt, und die sich leitmotivisch in den Monolog einmischt und ein klares Bekenntnis zur palästinensischen Seite fordert. Doch Sweids Leben ist viel zu facettenreich und verknäuelt für derartiges Schwarz-Weiß, am wohlsten fühlt er sich fernab der Fronten in der multinationalen Berlin-Mitte-Bubble, wo die Digital Natives an ihren Apple-Devices bei Flat White oder ähnlichen Modegetränken an irgendwelchen Projekten werkeln. In dieser Bubble ist auch der Sohn von Sweid und Ronen aufgewachsen, der nach dem 7. Oktober seinen Vater angeblich fragte, was das eigentlich sei, dieser Antisemitismus, und dem das letzte Wort mit der Utopie eines friedlichen Trips von Istanbul nach Mekka ohne jede Grenzen gehört.

Die heitere Performance „Between the River and the Sea“ zu dem todernsten Thema wurde am 5. April 2025 im Studio des Gorki Theaters uraufgeführt.

Bild: Ute Langkafel MAIFOTO

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