Weiträumig war das Haus der Berliner Festspiele von der Polizei abgesperrt. Eine Gruppe palästinenischer Aktivisten machte mit den üblichen Schlachtrufen Krawall und postierte sich ausgerechnet vor der Seniorenresidenz, die in jedem Mai das Theatertreffen mit Lärm-Beschwerden überzieht.
Was hat die Aktivisten so getriggert? Nur die Tatsache, dass mit der renommierten Batsheva Dance Company und Ohad Naharin prominente Künstler aus dem verhassten Israel an drei ausverkauften Abenden eine große Bühne bespielen? Choreografien von Naharin sind regelmäßig in Berlin zu sehen. Seit Oktober 2024 ist z.B. sein Signature Piece „Minus 16“ (1999) im Repertoire des Staatsballetts, die Premiere ging ganz ohne Zwischenfälle über die Bühne.
Dass sich die Aktivisten ausgerechnet „Momo“ für ihren Protest ausgesucht haben, ist schon merkwürdig. Die im Herbst 2022 in Tel Aviv entstandene Arbeit ist ein sehr zartes, stilles Alterswerk. Zu den melancholischen Klängen von Laurie Anderson und dem Kronos Quartet bietet die Batsheva Dance Company einen elegischen Abend mit kleinen, komödiantischen Einsprengseln. „Momo“ ist bei weitem nicht so aufgekratzt wie man es von früheren Arbeiten des als „Mr. Gaga“ berühmt geewordenen Ohad Naharin gewohnt ist.
Ein Jahr vor dem 7. Oktober 2023 kam diese Choreographie zur Premiere. Trauer und Pessismismus schimmern in diesen 70 Minuten durch. Als antifaschistische Warnung und eine verzweifelte Klage über den Zustand der Welt verstand die israelische Tageszeitung Haaretz den Abend in einem Artikel vom Januar 2023.
Die Gräben wurden noch tiefer, die Lage im Nahen Osten noch brutaler, wie wir heute wissen. Die Tour von „Momo“ wurde verschoben, die Deutschland-Premiere konnte am 16. Januar 2025 stattfinden, aber nur unter Polizeischutz und begeleitet von lautstarkem Gebrüll auf dem Weg ins Theater.
Bilder: Ascaf