Ajax und der Schwan der Scham

Hier sind echte Profis am Werk. Sicher haben Christopher Rüping und die beiden Schauspieler*innen des Jahres Maja Beckmann und Nils Kahnwald selbst bemerkt, dass ihr Geplänkel rund um Ajax als „ewigem Zweiten“, der stets im Schatten der Helden Achill und Odysseus stand, zu dünn geraten ist. Deshalb nölt Kahnwald an zwei Stellen in der Mitte der Vorstellung, als diese besonders durchhängt, wie zäh das doch alles ist und nimmt der Kritik damit den Wind aus den Segeln.

Bis dahin spielen Beckmann und Kahnwald etwas verbales Ping-Pong, fragen ins Publikum, wer Abi hat oder sogar einen Doktor-Titel und übergießen sich mit Litern voller Kunstblut. Interessanter wird es erst auf der Zielgeraden, als Pauline Rénevier hinzukommt. Sie spielt Sarah Lane, auch eine Frau, die stets im Schatten stand. Die Ballettänzerin doublete Natalie Portman in „Black Swan“. Die Hollywood-Diva gewann den Oscar, der Spin ihrer Agentur war, wie wir an diesem Theaterabend hören, dass sie die meisten Szenen selbst getanzt hatte.

In den letzten Minuten unterhält Christopher Rüpings Theaterabend mit ein paar amüsanten Morphing- und Deepfake-Effekten. Köpfe werden ummontiert, während die Live-Kamera filmt. Doch die Verbindung der beiden Erzählstränge – hier Hollywood, dort Antike – gelingt nicht. Jeder Erzählstrang zerfasert für sich.

Seit einem Jahrzehnt ist Christopher Rüping ein Stammgast beim Theatertreffen, auch wenn er es mal nicht in die 10er-Auswahl schafft, stehen seine Inszenierungen wie „Trauer ist das Ding mit Federn“ in diesem Jahr oder „Gier“ im vergangenen Jahr auf der tt-Shortlist.

Die Premiere von „Ajax und der Schwan der Scham“ am 15. Januar lag gerade noch im aktuellen Sichtungszeitraum, schaffte es dennoch nicht mal auf die Shortlist. Es war eine von Rüpings schwächeren Arbeiten, aber das wussten er und sein Team längst selbst. Ein Wiedersehen mit ihm und seiner Theaterfamilie gibt es dennoch am kommenden Sonntag, wenn ihm der Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung verliehen wird.

„Ajax und der Schwan der Scham“ wird auch am 14./15.6. bei den Autorentheatertagen des DT Berlin gastieren.

Bilder: Krafft Angerer

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