Asche

Zum Abschied von Thalia-Intendant Joachim Lux inszenierte Hausregisseurin Jette Steckel nicht nur das große Finale „Die Jahre“ mit fast dem kompletten Ensemble, sondern ein halbes Jahr zuvor auch den neuesten Text von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

Ungewöhnlich daran ist zweierlei: Jette Steckel ist längst auf den großen Bühnen zuhause, die sie mit bildstarken Inszenierungen wie wenige andere Regisseur*innen füllen kann. Mit „Asche“ kehrt sie noch einmal auf die Studiobühne in der Gaußstraße zurück, wo sie bis 2011 ihre ersten Talentproben lieferte. Zum anderen handelt es sich um die erste Jelinek-Inszenierung von Steckel: an die mäandernd-sprunghaften Textflächen wagten sich in Hamburg vor allem Nicolas Stemann und Falk Richter mit ihren stilprägenden Handschriften.

Falk Richter inszenierte auch die Uraufführung von Jelineks „Asche“ im April 2024 in den Münchner Kammerspielen. Aufschlussreich ist ein direkter Vergleich dieser beiden so gegensätzlichen Inszenierungen. Richter spielt das Münchner Publikum mit einem hektischen Bildergewitter schwindlig, beballert den Jelinek-Text atem- und pausenlos. In Hamburg schreitet das vierköpfige Ensemble (Franziska Hartmann, Björn Meyer, Barbara Nüsse, Jirka Zett) zu Klängen von Gustav Mahler schier endlos im Kreis. Hinter düsteren Nebelschwaden sprechen sie den Text, der vom Verlust von Jelineks Mann und der Sorge um die Zerstörung der Lebensgrundlagen handelt. Die Melancholie dieses Textes, die Trauer um das bereits unwiederbringlich Verlorene und um das im Verschwinden Begriffene, kommen in Steckels ruhig dahinfließender Inszenierung mit vielen stillen Momenten besser zur Geltung als in Richters Video-Overkill.

Ungewöhnlich an dieser Inszenierung ist der Einsatz von acht jungen Artist*innen vom Hamburger Kinderzirkus Zartinka, darunter die Tochter Frida von Jette Steckel und Hans Löw. Über weite Strecken sind ihre kunstfertigen Übungen zwar schön anzusehen, haben aber zu wenig erkennbaren Bezug zum Text und Schauspiel-Quartett. Erst im Schlussbild finden die verschiedenen Stilmittel und Erzählstränge in einer beeindruckenden Jonglage mit Leuchtkugeln beeindruckend zusammen und kommt der 100minütige Abend in der prägenden Lichtregie von Tilman Cassens zur harmonischen Ruhe.

Statt der Uraufführung aus München war die Zweit-Inszenierung aus Hamburg zum Wettbewerb um den Mülheimer Dramatik-Preis eingeladen, schied dort aber bei der Jury-Sitzung vergangene Woche früh aus. „Asche“ hatte am 12. Januar 2025 in der Thalia Gaußstraße Premiere und ist dort nur noch wenige Male zu sehen.

Bilder: Armin Smailovic

 

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