Totes Pferd

An der Schaubühne thalheimert es gewaltig: Die Nebelmaschine läuft auf Hochtouren, während die Kulturstaatsministerin Monika Grütters und die weniger prominenten Premierengäste tastend nach ihrem Platz suchen.

Zu wummernden Bässen von Bert Wrede tanzt eine Gruppe blutverschmierter, halbnackter Krieger um den halbierten Pferdekadaver, der während der gesamten drei Stunden Einar Schleef-artig vom Haken an der Decke baumelt.

Der Kadaver spielt vor allem in der Schlussszene eine tragende Rolle: Hauptfigur Wallenstein (Ingo Hülsmann) wird von Buttler (Urs Jucker) die Kehle durchgeschnitten. Das Kunstblut fließt in Strömen, die Schaubühne hat schon vor Wochen reiche Vorräte angeschafft.

Wallenstein

Während es auf Olaf Altmanns Bühne Bindfäden regnet, wird Hülsmann auf die Tierleiche drapiert und baumelt nun ebenfalls kopfüber von der Decke: ein Bild von archaischer Wucht, die ein Markenzeichen des Regisseurs Michael Thalheimer ist.

Bis dahin macht es sich Wallenstein aber erst mal in seinem Lehnstuhl gemütlich. Wenn er nicht gerade seine Söldner und Vertrauten zu sich beordert, lässt er sich vom Astrologen Seni die Sterne deuten. Lise Risom Olsen spielt diese kleine Rolle so raunend-geheimnisvoll wie bei ihrem Tatort-Auftritt in „Vielleicht“ (2014).

Wir im Publikum haben es nicht so gemütlich: Schillers Verse werden ohne Pause und in hohem Tempo abgefeuert. Das erfordert Konzentration und gerät streckenweise zu monoton. Der „Wallenstein“ ist für die Verhältnisse von Michael Thalheimer, den Meister der Textkomprimierung, mit drei Stunden ungewöhnlich lang geraten.

Zum Glück gibt es ein paar starke Spielszenen: Als sich der Wallenstein nach fast zwei Stunden erhebt und mit Max Piccolomini ein Rededuell liefert, gelingt Ingo Hülsmann und Laurenz Laufenberg ein starker Auftritt. Auch Regine Zimmermann setzt als Gräfin Terzky einige Akzente, die aus dem Sprachgewitter herausragen.

Wallenstein

Das Publikum bekommt die von Thalheimer gewohnten wuchtigen Bilder: Fast der gesamte Abend ist in dunkles Schwarz getaucht und mit düster-dräuenden Klängen unterlegt. Auf eine Aktualisierung des Stoffes aus dem Dreißigjährigen Krieg über Religion, Macht, wechselnde Bündnisse und Verrat hat der Regisseur bewusst verzichtet. Dementsprechend liefert das Programmheft diesmal auch keine zusätzlichen Anregungen zum Weiterdenken, sondern nur einen länglichen, philologischen Aufsatz von Dieter Borchmeyer über die Rolle der Astrologie bei „Faust“ und „Wallenstein“.

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Bilder: Katrin Ribbe

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