Castorfs Faust

Frank Castorf wirft zum Abschied nach zweieinhalb Jahrzehnten an der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz noch einmal die Überforderungsmaschine an.

Geschlagene sieben Stunden dauert sein „Faust“-Monstrum, das er mit bewährten Volksbühnen-Stars wie Martin Wuttke (Faust himself, mal mit und mal ohne Tattergreis-Maske) und Sophie Rois (als Hexe) und neuen Gesichtern wie Valery Tscheplanowa (als Gretchen und Helena) erarbeitete, die nach ihrem Wechsel vom Deutschen Theater Berlin ans Münchner Residenztheater endlich wieder auf den Berliner Bühnen zu erleben ist.

Vieles ist wie gewohnt: Sir Henry sorgt für die Musik und begleitet Sophie Rois auch bei ihrem „Leiermann“-Solo unmittelbar vor der Pause, die Castorf seinem Publikum erst nach dreieinhalb Stunden gönnt. Die Livekamera folgt den Spielerinnen und Spielern durch das verschachtelte Bühnenbild und projiziert auch alle obligatorischen Qualmszenen auf die große Leinwand. Natürlich hat Castorf den Goethe-Klassiker wieder mit reichlich Fremdtext aufgepumpt: Paul Celans „Todesfuge“, Frantz Fanons „Die Verdammten dieser Erde“ und Emile Zolas „Nana“ werden lustvoll geplündert und mit den Faust-Schnipseln zu einer Text-Collage verrührt. So weit, so bekannt.

Ausführlicher als gewohnt arbeitet sich Castorf an Fragen männlicher Identität ab. Seine Lesart, über die Sebastian Kaiser und Carl Hegemann, seine beiden Dramaturgen, unter dem Titel „Das Männliche ist das Vergängliche“ auf der Webseite der Volksbühne berichten, ist auf den ersten Blick interessant, auf den zweiten aber doch ziemlich unterkomplex.

Der bedauernswerte Martin Wuttke muss als triebgesteuerter, vor Lust sabbernder Greis chargieren und zugleich auch noch als Projektionsfläche für die Kritik am Kolonialismus, Neoliberalismus und Kapitalismus herhalten.

Die Spielerinnen haben wesentlich dankbarere Rollen, vor allem Sophie Rois und Valery Tscheplanowa tragen den Abend.

Der „Faust“ reicht dennoch nicht an seine beiden Arbeiten aus der vergangenen Spielzeit („Karamasow“ und „Die Kabale der Scheinheiligen“) heran, die seinem Star-Aufgebot noch wesentlich mehr Gelegenheit gaben, in Kabinettstückchen zu glänzen, weit weniger Längen hatten und auch konzeptionell schlüssiger waren.

Wie bei den meisten Volksbühnen-Inszenierungen dieser Spielzeit von Marthaler bis Pollesch durften auch hier Gags über den Nachfolger Chris Dercon nicht fehlen. Statt subtiler Pointen blieb es aber bei recht faden Witzen.

„Faust“ hatte am 3. März 2017 Premiere. Weitere Informationen und Termine

 

 

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