Zeppelin

Mit einem bronzefarbenen, rostig wirkenden Metallungetüm sind sie am anderen Ende der Stadt unsanft gelandet: die Fritsch-Familie, eine in den bunten Kostümen von Victoria Behr besonders schillernde Truppe aus dem untergegangenen Volksbühnen-Kosmos, brach vom Rosa-Luxemburg-Platz auf und will am Kudamm eine neue Heimat finden.

In den ersten Minuten bleiben sie noch komplett sprachlos: eine Fußball-Slapstick-Szene wechselt sich mit unartikuliertem Kreischen ab, wozu sie mit wedelnden Armen im Kreis um das Gerippe des Flugobjekts rennen, das sie später als ihren „Zeppelin“ vorstellen.

In Ödon von Horváths „Kasimir und Karoline“ kreist selbiger über die Oktoberfestwiese, während das junge Paar im Elend der Wirtschaftskrise vergeblich vom Glück und sozialen Aufstieg träumt. In Herbert Fritschs erster Inszenierung als Hausregisseur an der Schaubühne dienen die Metallstangen des Zeppelins als Haltegriffe, an denen sich die Spielerinnen und Spieler festklammern und dabei eine möglichst ungeschickte Figur abgeben. Mit nölenden, fistelnden Kinderstimmen hangeln und purzeln die Schauspielerinnen und Schauspieler durch den Abend. Dazu sprechen sie kurze Fragmente aus Horváths Stücken. Wie vorab zu lesen war, bediente sich Fritsch aus dem Nachlass des Dichters und sampelte Sätze aus unbekannteren Stücken sowie den Vorarbeiten zu „Kasimir und Karoline“ und „Glaube Liebe Hoffnung“.

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Der typische Horváth-Ton mit seinen Abstiegsängsten und seinen zaghaft vorgetragenen Sehnsüchten durchzieht die knapp zweistündige Inszenierung. Langsam hebt auch der Zeppelin vom Boden ab, bis das Ensemble schließlich einige Meter über der Bühne schwebt und sanft hin und her pendelt.

Stoisch lassen sich die Schauspieler minutenlang schaukeln, während im Publikum die Unruhe wächst: zaghaftes Klatschen setzt immer wieder neu an, schwillt zu Getrampel und genervten „Danke“-Zwischenrufen. Dieses Spiel mit den Publikumserwartungen ist alles andere aus taufrisch und eine müde Pointe eines insgesamt zu faden Abends. Bezeichnenderweise gab es am meisten Lacher kurz vor Schluss, als ein Spieler achselzuckend in Richtung des Publikums sagte: „Irgendwann werden Sie das Alles verstehen.“

Bilder: Thomas Aurin

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