Schweinestall

Drei quicklebendige Schweine (ab der Pause) und Juliane Köhler, die leidenschaftlich „Terra Lontana“ röhrt: dies sind besonders hervorstechende Einlagen an einem ungewöhnlichen Theaterabend im Marstall, der kleinsten Bühne des Bayerischen Staatsschauspiels.

Der kroatische Regisseur Ivica Buljan funktionierte die ehemalige königliche Hofreitschule zum „Schweinestall“ um. Er hielt sich recht eng an das gleichnamige Theaterstück von 1966 und verzichtete auf den Kannibalismus-Erzählstrang, den der italienische Dramatiker bei seiner „Schweinestall“-Verfilmung mit dem Nouvelle Vague-Star Jean-Pierre Léaud im Jahr 1969 aus dem Stück „Orgia“ einflocht.

DER SCHWEINESTALL/Residenztheater

Die Handlung des Stücks ist satirisch überspitzt und würde sich auch für eine wüste Kolportage eignen. Im noblen Bonner Vorort Bad Godesberg sind alte Naziseilschaften am Ruder. Unternehmer Klotz (Götz Schulte), der mit Rüstungsgeschäften reich wurde, und Herdhitze (Bijan Zamani), der in Konzentrationslagern ein berüchtigter Arzt war, wetteifern um Marktanteile für ihre Firmen. Als Herdhitze seinen Rivalen damit unter Druck setzt, dass er peinliche Enthüllungen über den Klotz-Sohn Julian verbreiten wird, einigen sich die beiden Alt-Nazis auf einen Fusions-Deal.

DER SCHWEINESTALL/Residenztheater

Im Mittelpunkt des Stücks steht Julian (Philip Dechamps), an dem von allen Seiten gezerrt wird: seine Eltern möchten, dass er in ihre Fußstapfen tritt und das Familienunternehmen, das deutlich an die Krupp-Dynastie angelehnt ist, weiterführt. Seine Freundin Ida (Genija Rykova) möchte, dass er mit ihr gemeinsam gegen die Elterngeneration rebelliert und zu den APO-Protesten nach West-Berlin zieht. Er entscheidet sich gegen beide Modelle und vergnügt sich lieber nackt mit den Schweinen.

Buljan macht aus der Vorlage eine bemerkenswerte Mischung aus klassischen Theater-Dialogen, die in der ersten Hälfte mit einigen Längen dominieren, Italo-Rock-Songeinlagen nach Pasolini-Gedichten von Nora Buzalka, Juliane Köhler und Genija Rykova, und einem philosophischen Disput zwischen Julian und Spinoza (Sibylle Canonica). Die einzelnen Teile ergeben stets unberechenbare 2,5 Stunden, an denen Pasolini vermutlich seine Freude gehabt hätte.

Bilder: Matthias Horn

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