Bertolt Brecht ist für ihn ein Lebensthema: Joachim A. Lang schrieb schon seine Magisterarbeit über Brechts „Kriegsfibel“, promovierte über „Episches Theater als Film“, drehte als Redakteur des SDR, der mittlerweile im SWR aufging, eine große ARD-Doku zu Brechts 100. Geburtstag, konzipierte gemeinsam mit Claus Peymanns Berliner Ensemble eine Brecht-Gala zum 100. Todestag und leitete von 2009 bis 2016 des Brechtfestival in Augsburg.
Ihn faszinierte vor allem der Prozess um ein gescheitertes Projekt: die „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht/Kurt Weill wurde 1928 nach Proben voller Querelen und Pannen zum Überraschungshit. Die Songs sind noch heute Ohrwürmer und garantieren Stadttheatern landauf, landab volle Häuser. Auf klingende Kassen spekulierte auch die Nero Produktionsfirma, die Brecht anbot, aus seinem Bühnenhit einen Film zu machen. Statt eines genussvollen Erlebnisses zum Schenkelklopfen und Mitschunkeln schwebte Brecht eine radikalere Variante seines Stoffes vor. Er wollte die gewohnte Szenenfolge aufbrechen und – unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise – schärfere politische Akzente setzen. Auch ästhetisch wollte er die Sehgewohnheiten des Kinopublikums getreu dem Motto „Glotzt nicht so romantisch“ herausfordern. Absehbar kam es zum Streit, der vor Gericht landete. Brecht verlor den Prozess und triumphierte dennoch: In einem Essay fühlte er seine These in der Praxis bestätigt, dass sich die Interessen des Kapitals rücksichtslos durchsetzen und hier die abweichenden Vorstellungen des Künstlers unterpflügen.
Diese Geschichte ist ein hervorragender Filmstoff. Da Lang neben dem Orchester des koproduzierenden SWR eine erlesene Riege von Schauspieler*innen zusammentrommelte, durfte man bei „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ auf ein großes Kinovergnügen hoffen: Schaubühnen-Star Lars Eidinger als Zigarren paffender Brecht, ganz naturalistisch in Lederjacke und Schiebermütze, Robert Stadlober als Kurt Weill, Tobias Moretti als Ganove Mackie Messer, Joachim Król als Bettlerkönig Peachum und Claudia Michelsen als seine Frau.
Dass die beim Filmfest München uraufgeführten 130 Minuten dennoch über weite Strecken langweilen, liegt daran, dass der Film unter der schweren Last des demonstrativ zur Schau gestellten Wissens des Regisseurs und Drehbuchautors Lang und des zu penetrant eingesetzten Brecht-typischen V-Effekts ächzt. Im Presseheft betont Lang, dass jeder Satz, den Eidinger in der Rahmenhandlung spricht, O-Ton Brecht aus Interviews, Essays und Traktaten ist. Der Recherche-Eifer verdient Respekt, die aus dem Kontext gerissenen Zitate hängen aber zu oft in der Luft. Brechts O-Töne, die in geschliffener Schriftsprache verfasst sind, wirken in den Film-Dialogen gekünstelt. Meist fehlt ihm der Widerpart, hängen die Sätze in der Luft.
Auch das Prinzip, dass die Rahmenhandlung, die in den späten 1920er Jahren spielt, durch Revue-Szenen mit rauschenden Roben ironisch gebrochen wird, wird zu oft angewandt. Die Verschränkung der verschiedenen Ebenen aus Realität und Fiktion führen dazu, dass der Film überfrachtet wirkt und streckenweise auch langweilt. Diesen Vorwurf konnte man dem Bühnen-Hit jedenfalls nicht machen. Robert Wilsons Inszenierung von 2007 am Uraufführungsort Theater Schiffbauerdamm, das mittlerweile als Berliner Ensemble firmiert, gehörte schon in der Ära Claus Peymann zu den Aushängeschildern, wurde als eine der wenigen Produktionen auch von Oliver Reese im Repertoire behalten und sorgt dort zuverlässig für ein volles Haus.
Bild 1: © Wild Bunch Germany / Stephan Pick; Bild 2: © SWR / Alexander Kluge