Der Mensch erscheint im Holozän

Als „hochpoetische Geduldsprobe“ beschreiben die Berliner Festspiele die Zürcher Inszenierung „Der Mensch erscheint im Holozän“, die ein halbes Jahr nach dem Theatertreffen nun doch noch als 3sat-Mitschnitt gezeigt werden kann.

Zwei verlorene Gestalten in Fleece-Jacken begleiten uns durch einen Abend, der mit effektvollen Theatermitteln vom Vergessen und Verschwinden eines Menschen und vom Zurückschlagen der Natur erzählen wollen. Ein skurriles, ungleiches Paar geben Maximilian Reichert und die fast doppelt so alte, aber neben dem großgewachsenen, jungen Kollegen zierlich wirkende Karin Pfammatter.

Die Atmosphäre schwankt zwischen Kindergeburtstag und elegischer Meditation. Mal fahren die beiden in Rollstühlen mit kindlicher Freude um die Wette, mal bestaunen sie einen überdimensionalen Tyrannosaurus Rex, der ebenso nur einen Kurzauftritt hat wie die Kinder-Statisten, die sich ohne den Boden zu berühren zu einem Einkaufswagen hangeln müssen.

Vor allem setzt der Abend aber auf das Prasseln des Regens in variierender Stärke, auf seine Nebel- und Windmaschinen. Minutenlang setzen sich die beiden Spieler*innen stumm den Naturgewalten aus, die hier künstlich nachgeahmt werden.

Wie gering das theatralische Potenzial der Erzählung von Max Frisch aus dem Jahr 1979 ist, zeigte sich schon 2016 bei einer Inszenierung von Thom Luz am Deutschen Theater Berlin, als Ulrich Matthes reglos in Nebelschwaden mit dem Rücken zum Publikum stand. Das Verlöschen einer Existenz durch die Demenz steht in dieser Zürcher Inszenierung nicht so sehr im Vordergrund, an diesem Abend geht es mehr um die Konsequenzen der vom Menschen verursachten Erderwärmung und die Schäden durch den Klimawandel.

„Der Mensch erscheint im Holozän“ ist einer dieser sehr stillen, leisen Abende aus den Grenzbereichen des Theaters, diametral anders als die exzessiven, körperbetonten Theaterfeste wie „Dionysos Stadt“, „Tanz“ oder „Eine göttliche Komödie“, am ehesten vergleichbar mit den Arbeiten des bereits erwähnten Thom Luz. Alexander Giesches Inzenierung will keine klassischer Theaterabend sein, sondern beschreibt sich selbst als „Visual Poem“. Trotz einigen schönen Momenten ist diese Frisch-Adaption doch etwas zu manieriert und langatmig, der Video-Einspieler von Frischs umstrittener Rede über den Heimatbegriff und die Lebenslügen der Schweiz, die er 1974 anlässlich des Schillerpreises hielt, wirkt wie ein Nach-Klapp.

Bilder: Zoé Aubry

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