Faust II

Viele Theater wagen sich nur recht zögerlich von den vertrauten Brettern in die digitalen Welten, die Angela Merkel vor Jahren rührend-unbeholfen als „Neuland“ beschrieb. Kaum eine Arbeit wagte sich in diesem zweiten Lockdown, der sich schon seit vielen Wochen und ohne absehbares Ende dahinzieht, so weit vor, wie der „Faust II“-Live-Theater-Film-Hybrid, den Krzysztof Garbaczewski für das Theater Freiburg drehte.

Das unerforschte Terrain, das der polnische Regisseur an der Schnittstelle zwischen Theater-Klassiker aus dem deutschen Bildungskanon, Film und virtueller Realität betritt, ist so schwankend wie die Wackelkamera, die Faust (Thieß Brammer) durch den knapp 100 minütigen Abend begleitet.

Das Interessante an dieser Inszenierung ist, dass sie leibhaftige Schauspieler*innen aus dem Stadttheater-Ensemble auf künstlich erschaffene Avatare treffen und mit ihnen interagieren lässt. Wie Cybertheater-Experte „dabeigewesen“ in einem Kommentar auf Nachtkritik treffend schreibt, ähnelt die Ästhetik dieser „Faust II“-Welten jedoch noch zu sehr den „Second Life“-Welten und der Videospiel-Ästhetik der 00er-Jahre, in denen auch die „Ultraworld“-Installation von Susanne Kennedy und Markus Selg vor einem Jahr an der Volksbühne stecken blieb, „als sei die Entwicklung dort stehen geblieben, als böten nicht die virtuellen Welten ganz andere Möglichkeiten“. Aber es ist anerkennenswert, dass ein Stadttheater – noch dazu eines abseits der Metropolen – ins Risiko geht und neue Formate auf hohem technischem Niveau ausprobiert.

Victor Calero, Thieß Brammer

Bei dieser Expedition wird das Publikum allerdings auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Die Goethe-Verse aus seinem kaum noch aufgeführten Alterswerk „Faust II“ werden gleichförmig und sedierend vorgetragen. Trotz der technischen Experimentierfreude wirkt dieses Spiel mit den Avataren deshalb langatmig und ermüdend.

Bemerkenswert ist die Spürnase, mit der das Theater Freiburg immer wieder polnische Regietalente fördert, die hierzulande noch unbekannt sind, zuletzt z.B. Ewelina Marciniak, deren toller „Sommernachtstraum“ ein Türöffner für weitere Arbeiten wie ihre Faust-prämierte „Boxer“-Inszenierung in Hamburg war.

Bilder: Britt Schilling

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